Oasen im Alltag

Immer wieder berichtet die Bibel davon, dass Gott Menschen "in die Wüste führt". Nicht um sie zu quälen, sondern weil unter Umständen der Weg in die Freiheit durch die Wüste führt. Wüste meint da nicht nur die geologische Formation, sondern immer auch eine Dimension im Menschen.

Jeder von uns macht die Erfahrung der inneren Leere und Dürre, die Erfahrung der Einsamkeit, der inneren Trockenheit, des Durstes nach Sinn und Glück. Tief unter den Gebieten, die auf unserer Erdoberfläche als Wüste erscheinen, soll es zum Teil viel Wasser geben. An manchen Stellen dringt dieses Wasser an die Oberfläche, und es entstehen Oasen. An anderen Stellen müssten Menschen nur tief genug bohren, damit das Wasser an die Oberfläche käme. Regnet es, wandeln sich manche Wüsten innerhalb von wenigen Tagen in blühende Landschaften. Nein, die Wüste muss nicht ein Ort des Todes sein. Sie trägt in sich die Kraft zum Blühen. Gilt das nicht auch für das menschliche Leben? Wenn ich nicht an der Oberfläche bleibe, sondern tiefer bohre, nach innen horche, wenn ich mir Zeit nehme, zur inneren Mitte zu kommen, dann können Quellen aufbrechen, die lange verschüttet waren. Im tiefsten Inneren meines Selbst stoße ich letztlich auf Gott. Hier wartet er auf mich. Und wo Gott und Mensch einander begegnen, beginnt die Wüste zu blühen. "Die Wüste und das trockene Land sollen sich freuen, die Steppe soll jubeln und blühen. Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Quellen", heißt es beim Propheten Jesaja (Jes 35,1.7) Im Glauben darf ich damit rechnen, dass Gott auch in den Wüstenzonen meines Lebens da ist und vielleicht gerade dort. Ich darf immer wieder auf Oasen hoffen, in denen ich neue Kraft schöpfen kann und Lebendigkeit. Dechant Rudolf Halffmann, Wittlich

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