Scham und Trauer

Zum Bericht "Standort für Gedenktafel weiter umstritten" und Kommentar "Keine Pflichtübung" (TV vom 27. Juli)

Man könnte schier verzweifeln wegen der Kurzsichtigkeit und Verzagtheit, die die Mehrheit des Stadtrates an den Tag legte bei der Beschlussfassung über den Standort der Gedenktafel für die vertriebenen Juden von 1938. Es muss arg bestellt sein um die entschlossene Mannhaftigkeit unserer städtischen Volksvertreter, wenn sie durch ihr geheimes Abstimmungs-Prozedere den zwangsläufigen Eindruck erwecken, die geschichtlichen Fakten von damals nach fast sieben Jahrzehnten noch immer ignorieren zu können. Das, was andere Kommunen unserer Gegend schon vor vielen Jahren als selbstverständliche Geste des Eingeständnisses einer kollektiven Scham der Nachfolge-Generation vollzogen haben, wird in unserer Doppelstadt kleinkariert hin und her geschoben in der Hoffnung, es irgendwann möglichst unauffällig hinter sich zu bringen. Aber genau das Gegenteil tritt ein. Vor so viel Ignoranz muss es einem doch die Zornesröte ins Gesicht treiben. Der betroffen Überlebende des damaligen Grauens, Martin Schmitz, ein Sohn unserer Stadt, hat Recht, wenn er die Erinnerungstafel am Rathaus sehen möchte, dort, von wo der "Verwaltungsakt der Vertreibung" verkündet wurde. Jede andere Stelle ist fehl am Platz. Der Stadtrat hat eine letzte Chance, um sein moralisches Gesicht zu wahren, nämlich indem er über seinen Schatten springt, seinen vorigen Beschluss aufhebt und die Tafel letztendlich am Rathaus anbringen lässt. Richard OchsTraben-Trarbach GEDENKEN

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