Über alle Grenzen hinweg zusammenstehen

Evangelische Kirchentage und Katholikentage haben eine lange Tradition. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist sicher die Zusammenführung von Gleichgesinnten, die Vergewisserung, dass man eingebunden ist in eine große Gemeinschaft von Menschen der selben Glaubensrichtung, aber auch die Auseinandersetzung und das Ringen um den richtigen Weg. Nun haben die beiden großen Kirchen vor zwei Wochen den Versuch unternommen, einen gemeinsamen Kirchentag durchzuführen - begleitet von großen Hoffnungen, aber auch von Befürchtungen. Die einen befürchteten, die Übereinstimmungen zwischen den beiden Kirchen könne noch nicht ausreichen; die anderen, die durchaus vorhandenen unterschiedlichen Überzeugungen würden einfach zugekleistert und nicht ernst genommen. Die vielen Gespräche, Diskussionen, Begegnungen allerdings haben gezeigt, dass alle Befürchtungen grundlos waren. Denn es war eine große Ehrlichkeit im Umgang miteinander zu spüren. Die Suche nach Gemeinsamkeiten hat den Blick auf Unterscheidendes nicht verstellt. Und die Unterschiede haben den Weg zueinander nicht blockiert. Wer den beeindruckenden Schlussgottesdienst als Teilnehmer oder im Fernsehen miterlebt hat, konnte spüren, dass das Motto dieses Kirchentages nicht nur ein frommer Wunsch war: "Du sollst ein Segen sein." Als Schalen mit Wasser durch die Reihen gingen und jeder seinen Nachbarn mit diesem Wasser segnete - als Erinnerung an das beiden Kirchen gemeinsame Zeichen der Taufe - konnte man spüren, dass es viel Verbindendes gibt. Die Teilnehmer wurden einander tatsächlich zum Segen. Was aber bleibt von der Feststimmung eines solchen Kirchentages? Es muss sich in der konkreten Praxis unserer Gemeinden erweisen, ob wir auch im Alltag unser Christentum so weit wie möglich gemeinsam leben und gestalten wollen. Dabei werden wir entdecken, dass wir nur dann für einander und für die Welt zum Segen werden können, wenn wir - ohne eigene Überzeugungen aufgeben zu müssen - uns gemeinsam bemühen, die Botschaft des Christentums zu verbreiten. Der Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, die Bewahrung der Schöpfung, der Kampf gegen alles was das Leben bedroht, kann nur erfolgreich sein, wenn wir dabei über alle Konfessions- und auch über Religionsgrenzen hinweg zusammenstehen. Wenn dieser Impuls des ersten gemeinsamen Kirchentages in unseren Gemeinden Wirkung zeigt, ist zu hoffen, dass es noch viele Kirchentage dieser Art geben wird. Werner Bühler, Wittlich

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