Wichtiger Baustein

Zur Diskussion um die "Stolpersteine" mit Namen der Opfer des Naziterrors in Wittlich schreibt uns dieser Leser:

Das Thema scheint erloschen zu sein. Oder? Als Bürger der Stadt, der nicht in Wittlich geboren wurde, aber nun mehr seit fast 18 Jahren in Wittlich wohnt, ist es mir ein tiefes Bedürfnis, die Geschichte der Stadt kennenzulernen.

Das Kennenlernen einer Geschichte bedeutet vor allem auch Kennenlernen der handelnden Gestalten, also der Menschen dieser Stadt. Und hier ist vielleicht der Erinnerung unserer ermordeten ehemaligen jüdischen Mitbürger besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Identifikation mit einer Stadt oder einer Region geschieht meines Erachtens vor allem über das persönliche Eindringen in die Lebendigkeit der eigenen Region in das gelebte Dasein der Menschen, die vor uns die Geschicke dieser Region gestalteten. Die Identifikation ist sicherlich auch ein sehr persönlicher Prozess. Christa Wolf hat in ihrem bekannten Günderode-Essay darauf hingewiesen, dass es leider zur Deutschen Geschichte gehört, dass diese von Studienräten und Professoren verwaltet wird. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass die Erinnerung an unsere jüdischen Mitbürger als wichtiger Baustein in einem quasi bewussten Beheimatungs-Erleben der hier Lebenden fußt.

Insofern sollte Geschichte, auch insbesondere Heimat- oder Regionalgeschichte, nicht mehr als "Sache" von Parteien, gesellschaftlichen Verbänden oder Organisationen begriffen werden, sondern vor allem vielmehr als das Bemühen der hier Lebenden, Zugang zur eigenen und unverwechselbaren lokalen Geschichte zu finden.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Diskussion um die "Stolpersteine" unkonventional, sensibel, aber zugleich auch würdevoll im Umgang mit den ermordeten Mitbürgern aufgegriffen und miteinander gestaltet wird, und zwar von uns Bürgern.

Matthias Werner Nitzsche, Wittlich

Stolpersteine

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