Zu welchem Ziel?

V or kurzem konnten wir auf der Insel Juist Folgendes beobachten: Leute, denen die Fahrt von eineinhalb Stunden mit der Fähre wohl zu lange dauerte, nahmen das Flugzeug - und stiegen dann in die Pferdekutsche um, die sie in gemütlichem Trab in den Ort brachte.Ähnliche Widersprüche prägen unseren Alltag.

In der Arbeitswelt muss alles schnell gehen. Die Lastwagentransporte werden "just in time" organisiert, die Fahrer bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht. Für viele Menschen ist eine 40-Stunden-Woche Utopie. Dass am Sonntag nicht gearbeitet wird, scheint manchmal schon ein Relikt der Vergangenheit zu sein. Und Geschwindigkeit fasziniert: auf der echten ebenso wie auf der Daten-Autobahn. Es gibt auch eine andere Seite. Der Jakobsweg ist beliebt wie nie. Manager gehen ins Kloster auf Zeit, um vom Arbeitsalltag Abstand zu gewinnen. "Slow food" ist eine neue Welle im überbordenden Koch-Kosmos. Oft hat das Zurückschalten aber auch eine viel härtere Dimension: eine Krankheit oder Arbeitslosigkeit zwingen dazu. Und plötzlich dauert es Monate, vielleicht Jahre, bis man wieder mithalten kann im Turbo-Alltag, wenn man nicht überhaupt irgendwann den Anschluss verliert.Wir denken, wir leben in einer besonders schnelllebigen Zeit. Aber schon im Psalm 90 in der Bibel heißt es: "Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin." Wann ist die Lebenszufriedenheit größer, auf dem Pferdewagen oder im Flieger? Indem man versucht, alles im Beruf zu erreichen, oder Wert auf einen ruhigeren und familienfreundlicheren Lebensstil legt? Auf dem Jakobsweg oder der Datenautobahn?"Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz" - das ist die Antwort des Psalms. Was heißt dies anderes als bewusst jeden Tag zu leben - im Bewusstsein, dass jeder der letzte auf dieser Erde sein kann? ca/joa

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