"Deine Stimme ist frei und sicher"

QUETZALTENANGO. Felix Koltermann aus Thalfang war als internationaler Beobachter in Guatemala bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen dabei. Für den TV berichtet er von seinen Erlebnissen in dem südamerikanischen Land.

Sonntagmorgen 6.30 Uhr: Ein Taxi bringt mich und meine Kollegin von der deutschen Menschenrechtsorganisation Carea, die hauptsächlich Menschenrechtsbeobachter nach Chiapas/Mexiko, aber auch nach Guatemala entsendet, zum Wahlzentrum in der nationalen Wirtschaftsschule in Quetzaltenango, der zweitgrößten Stadt Guatemalas.Das Wahlzentrum war mir von der Menschenrechtsstaatsanwaltschaft PDH, in deren Auftrag ich die Wahlbeobachtung durchführte, zugewiesen worden. Die PDH ist eine unabhängige, von der Regierung nach dem Bürgerkrieg ins Leben gerufene Institution, deren Ziel die Überwachung der Menschenrechte im Land ist.Von dieser Organisation hatte ich zur Identifizierung eine Kappe mit deren Logo und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Wahlen 2003 - Deine Stimme ist frei und sicher" bekommen. Um den Prozess der Beobachtung zu erleichtern, gab es einen sechsseitigen Vordruck, der alle möglichen Arten von Anomalien des Wahlprozesses auflistete, angefangen von der fehlenden Beschilderung der Wahllokale bis hin zur Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Der Vordruck sollte minutiös ausgefüllt werden.Carea-Mission stand allen Interessierten offen

Einer der interessantesten Punkte meiner Mission war, dass sie allen nationalen und internationalen Interessierten offen stand, im Gegensatz zur Mission der Europäischen Union, die hauptsächlich diplomatisches Personal aus Europa rekrutiert hatte. Zur Einführung gab es ein zweistündiges Seminar über die Rechte und Pflichten als Beobachter, an deren Ende die Vereidigung der Beobachter stand.In der Wirtschaftsschule war ich mit meiner Kollegin Daniela alleine für die elf Wahllokale, die in Klassenräumen untergebracht waren, zuständig. So blieb uns die anstrengende Arbeit von der Öffnung der Wahllokale um 7 Uhr bis zu deren Schließung nach 18 Uhr ständig zwischen den Räumen hin- und herzupendeln.Anwesenheit der Beobachter war akzeptiert

Doch der Tag in dem Wahlzentrum verlief ansonsten sehr ruhig. In keinem der Wahllokale gab es größere Probleme. Unsere Anwesenheit war akzeptiert und der Koordinator des Zentrums bemühte sich, alle Probleme sofort zu lösen. So wies er nach unserem Hinweis, das Recht auf eine geheime Stimmabgabe werde durch die vielen Wartenden im Wahllokal beeinträchtigt, den Wahlausschuss an, nur so viele Wähler ins Wahllokal zu lassen wie auch Wahlkabinen da waren.Der interessanteste Teil der Beobachtung begann mit der Schließung der Wahllokale nach 18 Uhr und dem Beginn der Auszählung der Stimmen. Doch auch dies verlief ruhig. Teilweise herrschte eine richtig herzliche Atmosphäre zwischen den Vertretern der Parteien und den Wahlhelfern. Es war schon nach 21 Uhr, als im Wahlzentrum alle Stimmen für das Amt des Präsidenten ausgezählt waren. Das Ergebnis deckte sich mit dem zwei Tage später veröffentlichten amtlichen Endergebnis: Guatemala entschied sich für die Demokratie. Der konservative frühere Bürgermeister von Guatemala-Stadt Oscar Berger und der Sozialdemokrat Alvaro Colom qualifizierten sich für die Stichwahl am 28. Dezember. Der frühere Diktator Rios Montt kam lediglich auf den dritten Platz.Gewalttätige Ausschreitungen auf dem Land

Die Erfahrung, den Wahlprozess hautnah als Beobachter hautnah miterleben zu können, war für mich mehr als spannend. Ich hatte so die Möglichkeit in der noch jungen guatemaltekischen Demokratie die Bürger bei der Ausübung ihres Wahlrechtes zu unterstützen.Glücklicherweise wurden wir in unserer Funktion als Wahrer der Menschenrechte nicht benötigt. Gerüchte von Sabotageakten von Anhängern des ehemaligen Diktators Rios Montt erwiesen sich als unbegründet, zumindest was unser Wahlzentrum betraf. Leider lässt sich meine Erfahrung nicht generalisieren. In ländlichen Regionen kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen und dem Stürmen von Wahllokalen.

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