Der Reiz des Orients

NEUMAGEN-DHRON/KYLLBURG. Allen Warnungen des Auswärtigen Amtes zum Trotz besuchten Martin Mayer (Neumagen-Dhron) und Christian Weides (Kyllburg) den Jemen. Allerdings nicht als Touristen, sondern im Namen der Wissenschaft. Von ihren Erlebnissen erzählen die Studenten dem TV .

Der erste Anlauf zur Jemen-Expedition von Martin Mayer aus Neumagen Dhron und Christian Weides aus Kyllburg scheiterte am zweiten Irakkrieg. Zwar besteht die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bis heute, weil immer wieder Touristen entführt werden, doch im August waren die beiden Studenten der Vermessungstechnik und Geo-Informatik nicht mehr aufzuhalten: Immerhin lockte der Orient - und die Wissenschaft. Im ehemaligen Himyariden-Reich laufen kontinuierlich archäologische Ausgrabungen, mit denen Professor Dr. Paul Yule betraut ist. Yule bietet Mainzer Studenten die Möglichkeit, dort ihre Diplomarbeit in Vermessungstechnik zu machen. Die Freundschaft zum Chef von Martin Mayer und Christian Weides, Professor Wolfgang Böhler, machte es möglich. Martin sammelte im Jemen Material für sein Diplom, Christian assistierte ihm dabei. Die ehemalige Hauptstadt der Himyariden, die vor eineinhalb Tausend Jahren auf der gesamten arabischen Halbinsel geherrscht hatten, befand sich auf 3000 Meter Höhe im jemenitischen Bergland. Nahe beim alten Zafar, 180 Kilometer südlich von Sanaa, war das Ziel der jungen Wissenschaftler: der 500-Seelen-Ort Yarim, in dem die Menschen unter einfachsten Bedingungen leben. Zwei Autos und einen Fernseher bringen die Einwohner zusammen. "Satt werden jedoch alle", berichtet Martin. Schlangen, Skorpione und Stromausfälle

Elend haben sie in den sieben Wochen ihres Aufenthaltes weder in Yarim noch anderswo gesehen. Dafür aber jede Menge Abenteuer erlebt. Die jungen Deutschen kamen in ein Land, in dem auf jeden Einwohner vom Baby bis zum Greis drei Schusswaffen kommen. Viele besitzen auch einen Krummdolch. "Unser Fahrer trug ihn immer." Echsen, Schlangen, Skorpione und Sandflöhe erschwerten ihnen den Alltag. Auch der zentral gelenkte Stromausfall an jedem Abend machte ein Leben, wie die beiden Jungs es in Deutschland gewohnt sind, unmöglich. Christian Weides: "Zwischen 18 und 21 Uhr werden die einzelnen Stadtteile wechselweise vom Stromnetz genommen." Größere Schwierigkeiten gab es mit der Identifizierung als Deutsche. Oft wurden sie für - äußerst unbeliebte - Amerikaner gehalten. Am laufenden Band war "Bakschisch" fällig: Ohne das obligatorische Bestechungsgeld, das schon Karl May in seinen Geschichten so anschaulich beschreibt, funktioniert auch heute noch nichts auf der arabischen Halbinsel. Mädchen haben keine Chance

Ein geplanter Ausflug platzte. Der Provinzgouverneur hatte sie gewarnt: Zu groß war die Gefahr, in Stammesfehden zu geraten. Mit Staunen beobachteten sie, dass nur die Jungs eine Schule besuchen. "Mädchen haben hier keine Chance", erzählt Martin Mayer. Mit zwölf bekommen sie einen Schleier, drei, vier Jahre später werden sie verheiratet. Als er seinem Fahrer, einem 1,50 Meter kleinen Mann mit nur noch zwei, vom Katkauen schmutzigen Zähnen im Mund (Kat ist eine berauschende und Hunger stillende Droge), erzählte, dass bei ihm zu Hause auch Frauen einen Mann bei Nichtgefallen zum Teufel jagen können, wollte er es nicht glauben. Wohlbehalten kehrten Martin Mayer und Christian Weides nach sieben Wochen "zwischen Ochs und Esel und Kamel" zurück. Abgenommen haben sie, sehr zum Bedauern ihrer daheim gebliebenen Freundinnen, trotz eines beachtlichen Durchfalls kein einziges Gramm. "Unser Fotograf war ein leidenschaftlicher Koch, der es schaffte, uns jeden Abend ein traumhaftes Menü zuzubereiten." Die Tiere hat er auf dem Markt gekauft und eigenhändig geschlachtet. Was sie am meisten genießen seitdem? "Ein ordentliches Bier!" kommt es wie aus einem Munde. Als Reiseland würden sie den Jemen nicht unbedingt weiter empfehlen - es sei außerhalb der Städte zu gefährlich. Für die beiden war es dennoch ein wunderbares Abenteuer, aus dem sie eine Menge Lebenserfahrung ziehen konnten. Und die Wissenschaft hat ihre Geländeaufnahmen des alten Himyaridenreiches bekommen.

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