Die Kunst und das Glück

Plein · Raum und Zeit vergessen, sich selbst erleben, glücklich sein. Das findet Barbara Baumann, wenn sie sich mit dem Meißel in Stein ausdrückt. Was Kunst kann, gibt die Bildhauerin in ihrer sozialen Arbeit weiter.

Plein. Ein liebevoll hergerichtetes Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert ist Barbara Baumanns Zuhause und Werkstatt. 1995 zog sie mit ihrem Mann, dem Künstler Matthias Lutz, von Köln nach Plein. Zwei Gründe sprachen für die Eifel: mehr Platz für weniger Geld und die Steinbrüche, die es hier gibt. Barbara Baumann ist Bildhauerin. Schon nach dem Abitur ist sie dem Ruf der Steine gefolgt. Er führte sie nach Italien, wo in Städten wie Rom und Florenz selbst die Gehsteige Schönheit in Naturstein zu den Füßen ausbreiten.
Seit dieser Zeit schon verknüpft die große schlanke Fünfzigjährige mit den langen roten Haaren Kunst und Soziales. Es begann in Italien mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einer Werkstatt mit körperlich Behinderten. Zurück in Deutschland begann sie 1983 eine Steinmetzlehre im Westerwald, arbeitete zwei Jahre als Steinmetzin, bis sie merkte, dass sie mehr als Handwerk wollte. Den Weg zur Kunst fand sie im Studium der Bildhauerei an der Alanus-Hochschule bei Bonn.
An der anthroposophisch orientierten Hochschule belegte sie zudem das Fach Kulturpädagogik und verknüpfte anschließend beides in ihrer Arbeit. Da die Alanus-Hochschule zu ihrer Zeit noch keine staatliche Anerkennung besaß, begann Baumann 2007 ein berufsbegleitendes Onlinestudium an der Fachhochschule Koblenz im Fach "soziale Arbeit" und schloss in diesem Jahr mit dem Bachelor ab. Seit September ist sie in der Jugendhilfeeinrichtung "Jugendhof Wolf" in Traben-Trarbach angestellt.
Die Kunst hat sie deshalb nicht aufgegeben. Sie gehört zu ihr. Aber von der Kunst allein zu leben war ihr irgendwann zu mühsam. "Man weiß nie, wo das nächste Geld herkommt." Ihr Atelier hinter der verglasten Toröffnung der ehemaligen Scheune ist aufgeräumt, die Meißel, Flex, Presslufthämmer verstaut, bis wieder mehr Zeit für die Kunst bleibt.
An einer ihrer Arbeiten sind die meisten schon vorbeigefahren. Auf einer Grünfläche in der Wittlicher Feldstraße steht seit 2002 eine mannshohe Handtasche aus Stein. Solche Handtaschen finden sich auch in Baumanns Atelier, im Garten, auf der Grundstücksmauer.
Ein anderes Thema, das sie seit langem begleitet, sind Insekten. Der Widerspruch zwischen ihrer Winzigkeit und der erstaunlich großen Wirkung, die sie erzielen können, fasziniert Baumann. Die Künstlerin gestaltet die Tiere aus Eisen, Zement, Nylon, Draht und Holz.
Für ihre jüngsten Werke hat Baumann fotografiert: Zu einem Durcheinander aufgetürmt liegen Jesusfiguren mit einer Barbie zusammen. Die Bilder hängen als Leuchtkästen an der Wand. Diese Arbeiten sind unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima entstanden. Sie greifen das menschliche Dasein als Kreislauf auf, in dem es leidvoll drunter- und drübergeht.
"Künstlerisches Arbeiten ist für mich Versinken in die Erforschung von äußeren und inneren Gegebenheiten", beschreibt Baumann ihr Vorgehen als einen Zustand, in dem sie Raum und Zeit vergisst. Für sie ist das Glück. Es besteht aus Ruhe, Zufriedenheit und Sich-Selbst-Erleben. "Weil das so wertvoll für das ganze Leben ist, bin ich begeistert davon, das künstlerische Arbeiten anderen zu vermitteln."
Kindern muss sie dafür nichts beibringen. "Die können das. Ihnen muss man nur Raum, Zeit und Material geben." Das tut sie, wenn sie in ihrem Atelier Kindergeburtstage ausrichtet.
Erwachsenen vermittelt sie das meditative Erlebnis in Kursen.

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