Eintauchen in die Belle Époque

Im "Bellevue" in Traben-Trarbach wird die Zeit um 1900 wieder lebendig. In dem Jugendstilhotel erinnern die Suiten "Bruno Möhring" oder "Freiherr von Richthofen" an berühmte Gäste. Das Hotel gehörte zur Spitzenklasse und der Zeitgeist der Jahrhundertwende ist darin noch immer spürbar.

Traben-Trarbach. Männer in Anzügen sitzen plauschend bei einer Flasche Kabinett auf der Terrasse des Hotels "Clauss-Feist" und blicken über die angrenzende Mosel hinüber auf den sonnenbeschienenen Ortsteil Trarbach. Sie können es sich leisten, in dem für Geschäftsreisende empfohlenen modernen Neubau mit zwei Bädern und elektrischem Licht den Vormittag bei einem Plausch zu vertun. Der florierende Weinhandel in dem zweitgrößten Weinumschlagplatz Europas hat sie reich gemacht. Es ist kurz nach der Jahrhundertwende, die Zeit der Belle Époque.

Die Crème de la Crème zieht es in das Hotel an der Mosel: Heinz Rühmann, Baron von Thyssen, Graf von Anhalt und der "Rote Baron" Freiherr von Richthofen tragen sich ins Gästebuch ein.

Seit 1903 ist das Hotel "Clauss-Feist" ein "Haus ersten Ranges", wie sein Besitzer Richard Feist es auf einem Werbeblatt beschreibt. Das verdankt es seiner modernen Architektur aus der Hand des Berliner Stararchitekten Bruno Möhring, der es im aufkommenden Jugendstil entwirft.

Brand als Glücksfall



Ein Brand hat den Gasthof, der vorher dort stand, vernichtet. Als "Glücksfall" bezeichnet Matthias Ganter diesen Umstand. Ihm gehört seit 1998 das Jugendstilhotel, das mittlerweile den Namen "Bellevue" trägt. Ganter nennt sein Hotel "das schönste Jugendstilhotel Deutschlands". Der Superlativ geht ihm leicht von der Zunge, denn kein anderes Hotel konserviere den Jugendstil auch von innen noch so konsequent wie das "Bellevue". Ganter sagt, er kennt sie alle.

Der Sturheit der Vorbesitzerin Johanna Bösebeck sei es zu verdanken, dass nicht der Zeitgeist der 50er Jahre in dem Hotel am Moselufer einzog. Sie wehrte sich dagegen, den als Kitsch verschrieenen Jugendstil auf den Friedhof der Kunstgeschichte zu verbannen und gegen die Mode der Nierentische einzutauschen.

Das Entrée des "Bellevue" versetzt den Gast noch heute in die Zeit um die Jahrhundertwende. Wer durch den Windfang tritt, blickt auf eine dunkle Holztreppe, Balken an der Decke, hölzerne Wandvertäfelungen, die rankende Muster umrahmen, einen Empfang aus dunklem Holz. Bunte, ornamentale Wandmalereien zieren die Gesellschaftsräume und viele originale Fenster sind aus farbig gestaltetem Glas - im Speisesaal sogar eines, das 1902 einen Raum auf der Turiner Ausstellung für dekorative Kunst schmückte. Etwas anderes zieht ebenfalls im Restaurant die Blicke auf sich: ein Schaukamin mit perlmuttern schimmernden Fliesen.

Viele der typischen Jugendstillampen an Decken und Wänden stammen noch aus dem Eröffnungsjahr 1903. Fehlten die Originale, hat Matthias Ganter exklusiven Ersatz aus bekannten Manufakturen der Epoche beschafft.

In dem Hotel gibt es so viel Jugendstil zu sehen, dass nicht jeder, der das "Bellevue" betritt, dort auch ein Zimmer gebucht hat. Manch einer möchte bloß einen kurzen Streifzug durch die Kunstgeschichte unternehmen. So wie die Gruppen von Architekturstudenten, die dann und wann staunend durchs Hotel ziehen.

Selbst eine Sammlernatur



Ganter kennt das Gefühl, das ihn erstmal sprachlos machte, als er sich das Gebäude 1992 ansah. Damals suchte er ein Objekt zur Pacht. "Dass es so was noch gibt!", schoss ihm durch den Kopf. "Das hier zu finden, war unglaublich", schwärmt der aus dem Schwarzwald stammende Koch und Hotelkaufmann, der vorher in Hotels in London, Sidney und Monte Carlo gearbeitet hatte.

Selber von Kindesbeinen an eine Sammlernatur, faszinierte ihn der Bau mit den vielen Bezügen zur Kunstgeschichte. Fielen ihm beim Stöbern alte Abbildungen der Hotelräume in die Hände, bemühte er sich, diese wieder originalgetreu herzurichten.

Eines der Bäder aus dem Jahr 1903 ist mit seinen schrill gelb-orangen Kacheln noch ganz erhalten. Ein anderes stammt aus dem Jahr 1920 und präsentiert sich in schwarzer Eleganz. Anders als zur Entstehungszeit verfügt seit der großen Renovierung im Jahr 1985 jedes Zimmer über ein Bad. Trotz der Zugeständnisse an die Moderne mit Wellnessbereich, Computer- und Tagungsraum bleibt die Belle Épo que des Hotels "Clauss-Feist" im "Bellevue" erhalten.

EXTRA JUGENDSTIL AN DER MOSEL



Mit Bruno Möhring kam der moderne Jugendstil in die kleinen Winzerorte der Mosel. 1898 suchte der Stadtrat von Traben-Trarbach einen Architekten, um eine Brücke zu bauen, die die beiden Ortsteile miteinander verbinden sollte. Der Berliner Architekt Bruno Möhring gewann den Architekturwettbewerb. 1899 wurde die Brücke eingeweiht. Weitere Aufträge für Privathäuser an der Mosel folgten, in denen Möhring immer konsequenter den aufkommenden Jugendstil umsetzte. Aufgrund der Bekanntschaft mit Möhring hinterließ ein weiterer bekannter Designer seiner Zeit Spuren an der Mosel: Auf Möhrings Betreiben hin stattete Architekt Joseph Maria Olbrich im Hotel "Clauss-Feist" eines der Gastzimmer aus. (sys)

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