Für eine Hand voll Pesos

WITTLICH. Normalerweise würde Christina Steudel die elfte Klasse des Wittlicher Cusanus-Gymnasiums besuchen. Doch für ein Jahr hat die 18-Jährige das Moseltal mit den Ufern des Rio Guadalquivir vertauscht: Als Austausch-Schülerin des Rotary-Clubs lebt sie im mexikanischen Cordoba. Für den TV schildert Steudel in unregelmäßigen Abständen ihre Eindrücke und Erlebnisse.

 Was von den Reichen übrig blieb: In Mexiko ersetzen Wohltätigkeits-Veranstaltungen - im Bild ein Kleiderbasar des Rotary-Clubs in Cordoba - das kaum vorhandene staatliche Sozialsystem.Foto: Christina Steudel

Was von den Reichen übrig blieb: In Mexiko ersetzen Wohltätigkeits-Veranstaltungen - im Bild ein Kleiderbasar des Rotary-Clubs in Cordoba - das kaum vorhandene staatliche Sozialsystem.Foto: Christina Steudel

Das Jahr 2005 hat für mich mit einem wunderschönen Sonnenaufgang über dem Golf von Mexiko angefangen und schreitet mit großen Schritten voran. Mittlerweile habe ich Halbzeit in meinem Austauschjahr in Mexiko und ich frage mich nur, wo denn die Zeit bleibt. Gerade im letzten Monat habe ich viel erlebt.Barfuß und in zerrissener Hose

Ich habe eine ganz andere Seite Mexikos kennen gelernt, die der Armut. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist in Mexiko extrem groß. Arme Menschen haben einfach überhaupt nichts zum Leben, sie wohnen weit außerhalb der Städte in Dörfern und Siedlungen. Für diese Menschen ist das Dasein wie ein Teufelskreis: Wer einmal hinein geboren wurde, kommt nicht mehr heraus. In einer wohlhabenden Familie aufgewachsen, bekommt man eine gute Ausbildung. Denn sowohl Schulen als auch Universitäten sind nicht billig. Man hat somit gute Berufschancen, egal wie intelligent oder engagiert man ist, und wird noch dazu vom Staat gefördert. Bewusst wurde mir dieser Unterschied zum ersten Mal, als ich am Tag der Heiligen Drei Könige mit meinem Rotary-Club raus aus der Stadt gefahren bin. Am Tag der Heiligen Drei Könige fahren viele Schulen und Vereine zu den armen Menschen und verteilen Spielzeug an die Kinder. Der Gedanke dabei ist, dass die heiligen drei Könige den Kindern an diesem Tag Geschenke bringen. Wir sind in einer Kolonne aus zehn Fahrzeugen, voll beladen mit Spielzeug, über holprige, ungepflasterte Wege, mitten ins Niemandsland gefahren. Wenn man dann sieht, wie diese Kinder vor Freude über ein einfaches Spielzeugauto oder eine Puppe kreischend durch die Gegend springen, wird einem schon komisch zumute. Als mich ein kleiner Junge, barfuß und in zerrissener Hose, fragte, ob wir nicht auch etwas zum Anziehen für ihn hätten, musste ich wirklich schlucken und wusste: Dieses Kindergesicht werde ich so schnell nicht mehr vergessen. Auch sonst ist mein Rotary-Club in Cordoba ziemlich engagiert. Vergangene Woche gab es einen Kleiderbasar, bei dem wir für ein paar Pesos gebrauchte Kleider und Schuhe verkauft haben. Die Abnehmer sind die einfachen Arbeiter wie Hausmädchen oder Gärtner, die für ihre Arbeit nicht gut bezahlt werden. Der Andrang war groß. Besonders nach diesen Erfahrungen habe ich angefangen, mein Leben hier anders zu sehen. Ich wohne doch bei einer ziemlich wohlhabenden Familie, anfänglich ist mir das nicht wirklich aufgefallen. Aber jetzt weiß ich, wie gut wir es haben. Außerdem ist mir bewusst geworden, dass ich irgendwie stolz auf die Verhältnisse in Deutschland bin. Dass wir diese großen Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht haben.Karneval in Veracruz

Ein Jahr ist nicht viel Zeit, ein völlig unbekanntes Land kennen zu lernen. Aber man erhält schon einen tiefen Einblick in ein ganz anderes Leben. Es ist nicht immer einfach, denn manche Sachen sind gewöhnungsbedürftig. Vor allem, dass hier Frauen und Männer einander nicht immer so gleich gestellt sind, wie es auf den ersten Blick wirkt. Ich als Mädchen merke das ziemlich deutlich. Ich werde behütet und bekomme viel weniger erlaubt. Ich wollte beispielsweise alleine bis ganz in den Norden fahren, um dort die Familie des Austauschschülers zu besuchen, der im Moment bei meinen Eltern in Deutschland wohnt. Dafür die Erlaubnis zu bekommen, war nicht einfach. Ein allein reisendes Mädchen, das gehört sich hier nicht. Viele, die erfahren haben, dass ich die 17 Stunden im Bus alleine gefahren bin, waren ganz erstaunt und teilweise richtig entsetzt. Und dann war ja noch Karneval. Karneval gibt es auch in Mexiko. Er wird nur an einem einzigen Ort gefeiert, nämlich in Veracruz. An jedem andern Ort bekommt man nichts davon mit. Aber in Veracruz sind unheimlich viele Leute aus ganz Mexiko. Verkleidet wird sich nicht, man macht sich eher fein und zeigt viel Haut. Dazu ist es ja warm genug. Die ganze Stadt ist eine Party, Karnevalsumzüge, wie wir sie kennen, gibt es zwar nicht, dafür aber andere Vorführungen und Attraktionen. Überall ist Musik, alle Leute sind gut drauf, und es wird gefeiert bis zum sprichwörtlichen Umfallen.

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