Gemeinsam gegen das Vergessen

BERNKASTEL-KUES. Jüdische Friedhöfe sind stumme Zeugen der wechselvollen Geschichte der Juden in Europa. Einen beinahe vergessenen Friedhof in Ottmachau, der polnischen Partnerstadt der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, haben nun Jugendliche von der Mosel mit Hilfe von anderen jungen Menschen aus Polen, Tschechien und Israel restauriert.

Während eines Spazierganges entdeckte die Bernkastelerin Renate Khoschlessan, die enge kulturelle Beziehungen mit Ottmachau pflegt und jedes Jahr beschränkt Deutschunterricht-Kurse dort abhält, den am Waldrand gelegenen, überwucherten und zerstörten jüdischen Friedhof in Ottmachau. Der Friedhof war mit Eschen-, Fichten- und Ahornbäumen bepflanzt, die teilweise so alt sind, wie die ersten dort angelegten Gräber. Es war ein vergessener jüdischer Friedhof. Internationales Projekt in der Partnerstadt

Um zu verhindern, dass die Menschen die Grauen der Nazi-Zeit vergessen, entstand bei Khoschlessan die Idee, den jüdischen Friedhof in Ottmachau zu restaurieren - ein Projekt, bei dem Jugendliche aus Deutschland, Polen, Israel und Tschechien ganz im Sinne des Gedankens der europäischen Integration gemeinsam anpacken sollten. Das in Bernkastel-Kues ansässige "Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage" bat Khoschlessan, die Leitung des Projekts in Ottmachau zu übernehmen. Der engagierten Frau lag auch die Partnerschaft von Ottmachau und der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues am Herzen: "Die Menschen und besonders die Jugendlichen der beiden Städte sollten sich gegenseitig kennen lernen. Denn gemeinsame Arbeit, Ausflüge und Feste helfen Jugendlichen, Verständigung, Integration, Toleranz und neue Freundschaften zu erleben", sagt Khoschlessan.Die Finanzierung des Projekts erfolgte durch Zuwendungen der VG Bernkastel-Kues, des Landes Rheinland-Pfalz, des Kreises Bernkastel-Wittlich, privaten Spendern und der Deutsch-Jüdischen Gesellschaft. Entscheidend für die Realisierung des Projekts war jedoch ein großer Betrag aus dem Versöhnungsfond der Deutschen Bischofskonferenz "Renovabis". Das Projekt sollte aber nicht nur der Instandsetzung des Friedhofs dienen. Genau so wichtig war es den Organisatoren, dass die Jugendlichen aus vier Ländern sich mit der jüdischen Geschichte und Kultur befassen. Bevor mit der Arbeit begonnen wurde, besuchte die israelische Delegation aber zunächst die Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues. Die Jugendlichen wurde von Elmar-Georg Konrath betreut und wohnten eine Woche bei deutschen Gastgebereltern. Zum Besuchsprogramm zählte eine Führung durch die Doktorstadt, eine Radtour von Daun nach Bernkastel-Kues sowie Ausflüge zum Pulvermaar und nach Trier. Für die deutschen Jugendlichen war es indes besonders beeindruckend, zusammen mit den israelischen Gästen den Sabbatabend zu zelebrieren.Danach ging es für die Mädchen und Jungen aus Israel und von der Mosel ins polnische Ottmachau. Zwei Wochen lang restaurierten die Jugendlichen mit Hilfe von Alterskollegen aus Tschechien und Polen den jüdischen Friedhof - dabei waren rund 50 Personen im Einsatz. "Es herrschte beim Wiederaufbau des Friedhofs eine beispielhafte, harmonische Zusammenarbeit und es wurden viele Freundschaften geknüpft", blickt Khoschlessan zurück.Doch die Jugendlichen waren selbstverständlich nicht nur zum Arbeiten nach Ottmachau gekommen. So fanden während ihres Aufenthalts in Polen Ausflüge nach Breslau und Krakau sowie Besuche der Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau statt. Nachdem die Arbeiten am Friedhof erfolgreich abgeschlossen waren, wurde mit einem Festakt das Werk der Jugendlichen gewürdigt. In Anwesenheit des Bürgermeisters von Ottmachau und des Direktors des Gymnasiums in der polnischen Stadt wurde am Eingang zum Friedhof eine marmorne Gedenktafel mit dem Spruch aus dem Talmud: "Überall ist einer für den anderen verantwortlich" enthüllt, die nun in fünf Sprachen an einen nachahmenswerten Einsatz von Jugendlichen aus mehreren europäischen Ländern erinnert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort