Holzgeflecht statt Mauerwerk

ANDEL. Es ist ein Erlebnis, zum ersten Mal den eigenen vier Wänden bestens gehütete Geheimnisse zu entlocken. Doch alles hat das Fachwerkhaus von Familie Konrad aus Andel (Kreis Bernkastel-Wittlich) noch nicht preisgegeben.

 Bei der Renovierung ihres Fachwerkhauses haben Margit und Werner Konrad einige Überraschungen erlebt und vieles zum ersten Mal entdeckt. Heute präsentiert sich das Anwesen in Andel zwar noch längst nicht in voller Pracht, aber mitten im Ort, direkt neben der evangelischen Kirche, bereits als Zierde des Stadtteils von Bernkastel-Kues. TV-Foto: Ursula Schmieder

Bei der Renovierung ihres Fachwerkhauses haben Margit und Werner Konrad einige Überraschungen erlebt und vieles zum ersten Mal entdeckt. Heute präsentiert sich das Anwesen in Andel zwar noch längst nicht in voller Pracht, aber mitten im Ort, direkt neben der evangelischen Kirche, bereits als Zierde des Stadtteils von Bernkastel-Kues. TV-Foto: Ursula Schmieder

Wer alte Bausubstanz liebt, hält beim Anblick des Anwesens Konrad in Andel inne. Mit säuberlich freigelegtem Gebälk und den dazwischen neu ausgefachten, zuvor verputzten Fachwerkspiegeln, präsentiert sich das Nachbargebäude der evangelischen Kirche als Schmuckstück. Margit und Werner Konrad, setzen seit 1991 alles daran, das Elternhaus der Ehefrau wieder heraus zu putzen. Allzu gut erinnern sie sich daran, als das jahrzehntelang unter Putz verborgene alte Fachwerk des Wohnhauses zum ersten Mal zum Vorschein kam. "Das war wie ein Überraschungsei: Was da unten drunter raus kam, war Wahnsinn", erzählt Margit Konrad von dem Tag, als sie dem Gebäude ein lang gehütetes Geheimnis entlockten. Hochwasser hätte Balken fast weggeschwemmt

Vor allem die freigelegten Fachwerkspiegel haben es den beiden angetan. Aber auch das aus Haselnussgerten geflochtene Gerüst der mit Lehm ausgefachten Wände. Bruchstücke dieser ursprünglichen Bauweise haben sie daher erhalten. Ebenso spannend ging der Abriss des Wirtschaftsgebäudes vonstatten. Während sie dieses Balken für Balken abtrugen und dabei jedes einzelne Teil nummerierten, dokumentierten und entnagelten, entdeckten sie ihre eigenen vier Wände zum ersten Mal Stück für Stück. Allerdings wäre ihr Traum von der Generalsanierung des historischen Hauses beinahe sang- und klanglos untergegangen. Hatten sie ihr Fachwerk doch - akribisch nach Wänden sortiert - ausgerechnet kurz vor dem Hochwasser 1993 am Moselufer gelagert. "Fast wären die Balken weg gewesen", steckt Werner Konrad der Schreck noch in den Knochen. Denn die Arbeit, die sie bis dahin in das alte Holz investiert hatten, war enorm. Bis zum Jahr 2000 summiert sich allein die Eigenleistung des Ehepaares auf rund 5000 Stunden. Wer das nicht glaubt, kann sich bei Konrads durch Stapel von Listen wühlen, in denen jede Stunde Ausbessern, Montieren oder Verputzen notiert ist. Von der jahrelangen Vollzeit-Freizeitbeschäftigung zeugen auch Kartons voller Fotos. Den Zeitaufwand für die Dokumentation der Stunden hätten sie sich aus heutiger Sicht allerdings sparen können. Denn der - fürs Landesdenkmalamt betriebene - Aufwand zahlte sich kaum aus. "Das hat nicht mal gereicht für das Scheunentor", kommentiert Margit Konrad die erhaltenen 10 000 Mark. Dabei habe der Mann vom Denkmalamt Wind gemacht für 40 000 Mark, fügt ihr Ehemann hinzu. Dennoch hat nicht der Frust über die in Aussicht gestellten, aber nicht erhaltenen dicken Gelder, den momentanen Baustopp ausgelöst. Dass die im Erdgeschoss für den geplanten Ausbau als Café vorgesehenen Heizkörper unausgepackt herum stehen, hängt mit der Erkrankung der Hausherrin zusammen. Nur sein Alter gibt das Haus nicht preis

Von einem Tag auf den andern gab es andere Prioritäten: "Seit fast drei Jahren habe ich keinen Nagel mehr in die Wand gehauen", gesteht der Ehemann. Was beide aber nicht hindert, an ihrem Ziel fest zu halten. Sie könnte sich jedenfalls gar nicht vorstellen, woanders zu leben: "Das würde mir das Herz raus reißen." Zu viel verbindet sie mit diesem Haus, in das die Leute früher während heißer Sommer kamen, um Wasser aus dem Hausbrunnen zu schöpfen. Oder sie sieht ihre Mutter an dem gemauerten, derzeit in Einzelteile zerlegten Backofen wirken. Außerdem kennt sie das Haus nun, da sie manches zum ersten Mal daran entdecken durfte, in- und auswendig. Obschon das Gebäude ein Geheimnis bisher nicht preisgegeben hat - sein Alter.VERLIEBT IN ALTE STEINE: Gerne wollen wir Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in weitere Wohnhäuser entführen, die wahre Denkmäler sind. Wir wollen Ihnen Menschen vorstellen, die in oft jahrelanger Arbeit ein altes Gemäuer renovieren und über Freud und Leid des Altbau-Wohnens sprechen. KONTAKT: Leben Sie in einem denkmalgeschützten Haus und haben Lust, uns über Ihre Motivation zu dieser Wohnweise zu erzählen? Dann mailen Sie uns ein paar Stichworte an eifel@volksfreund.de. Wir freuen uns.

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