Zwei junge Leute mit Anstandswauwau; jung verliebt, aber an Knutschen war nicht zu denken. Selbst beim Spaziergang begleiteten zwei Geschwister die Frischverliebten. "Heimlich im Keller begrüßten wir uns stürmisch und saßen dann sittsam im Wohnzimmer bei den Eltern." Spannend hat die Wittlicherin Otti Kronauer ihre Liebesgeschichte mit dem Lehrer Karl Kronauer aus Dreis beschrieben. Keineswegs aus der Kaiserzeit, wie es vermutet werden könnte, sondern aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stammt die Romanze. Es war die Zeit, als neben Sittsamkeit auch noch finanziell arme Nachkriegsjahre durchlebt werden mussten. Durchgebissen haben sich die beiden Verliebten bis zum Happy End der baldigen Hochzeit. Zum Schmunzeln und zum Nachdenken ist nicht nur diese Erzählung geeignet. Zehn Autorinnen und Autoren haben "Erinnerungen aus der Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg" zusammen gestellt. Mehr als 30 Geschichten füllen 110 Seiten der Veröffentlichung des Erzählkreises "Erlebte Geschichte" des Kreisarchivs Bernkastel-Kues und der Akademie Kues. Da ist die Rede von fröhlichen Ereignissen, aber auch von traurigen Anlässen in einer Zeit, die durch Kriegsgeschehen gekennzeichnet war. Karl Musseleck erinnert an das Zusammenleben von Juden und Christen in Wittlich vor 1933. Therese Schäfer plaudert über "Wintermode" für Kinder. Karlheinz Moseler fragt "Wie wor et fre'ija?". Elisabeth Badura-Zenz schreibt von "Weihnachten im Backes". Albert Ebert berichtet vom Kriegsanfang 1939 und seinen Gefühlen. Von einem Wittlicher Arzt, der eine luxemburgische Frau vor dem Internierungslager Flussbach bewahrte, schreibt Maria Musseleck. Anna-Katharina Goebel berichtet von der Währungsreform. Marianne Ebert hat nach 49 Jahren ihre jetzt polnische Heimat besucht und beschreibt das Wiedersehen. Die Mundartdichterin Katharina Pawelke gibt ihre neuesten Geschichten in Versform, aber auch in Prosa weiter. "Diese und viele andere Beiträge mussten aufgeschrieben werden", so Claudia Schmitt vom Kreisarchiv. "Es sind Beiträge von Zeitzeugen und damit einmalige und hoch interessante Mosaiksteine lokaler Geschichtsschreibung."Nicht mehr aus der Hand zu legen

Überraschend, weil ungewohnt, ist die Form Werkes. Eine DIN-A4-Publikation, handgefertigt in Form von Fotokopien, allerdings qualitativ hochwertig, mit einem Self-Made-Einband erwartet die Käufer. Den Erzählungen wäre eine adäquatere Aufmachung zu wünschen, vielleicht auch ein paar Abbildungen. Aber es lohnt sich, die Episoden zu lesen. Die Geschichten stecken voller Überraschungen. Vor allem sind sie so geschrieben, wie man spricht, "wie der Schnabel gewachsen ist". Wer darin zu lesen beginnt, wird es so schnell nicht mehr aus der Hand legen - so schreibt Claudia Schmitt im Vorwort und wird damit wohl recht behalten. " Als wir jung waren - Erinnerungen an die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg": 110 Seiten, DIN-A4, Herausgeber: Erzählkreis "Erlebte Geschichte" des Kreisarchivs Bernkastel-Wittlich und der Akademie Kues, 2003. Preis: 5 Euro, erhältlich in der Akademie Kues, Stiftsweg 1 in Bernkastel-Kues und im Kreisarchiv im Haus Mehs, Schloßstr. 10, Wittlich. Vorstellung am 30. November 2003, 15 Uhr, in der Akademie Kues.