Operation im Sessel

CORDOBA/WITTLICH. So langsam geht das Austauschjahr von Christina Steudel in Mexiko zu Ende. In einigen Wochen wird sie wieder in ihrer Heimatstadt Wittlich erwartet. Gegen Schluss ihres Aufenthalts berichtet sie noch einmal aus Cordoba.

Nach nun zehn Monaten als Austauschschülerin über Rotary in Mexiko habe ich Land und Leute doch ziemlich gut kennen gelernt. Dazu gehört auch das Verhältnis der Mexikaner gegenüber den so genannten Gringos, den Nordamerikanern. Das kann man natürlich nicht verallgemeinern, aber im Großen und Ganzen gilt: Das Verhältnis ist nicht das beste. Angefangen hat alles, sagt man, als die Mexikaner gezwungen wurden, ihre Schulden, die sie bei den USA hatten, mit Land zu bezahlen. Sie mussten also Land abgeben. So gehörten früher zum Beispiel Texas und auch Teile Kaliforniens zu Mexiko. Fünf Tage lang Kinder kostenlos operiert

Der Name Gringos kommt noch von dem Angriff, den die Nordamerikaner gegen die Mexikaner verübten. Denn als sie mit grünen Helmen gepanzert in Veracruz an Land gingen, riefen ihnen die Mexikaner "Green go" zu, nach dem Motto: Grüne geht weg. Daher also Gringos. Das Verhältnis zu Nordamerikanern ist hier von Person zu Person unterschiedlich. Man sagt, es sei lediglich die Regierung, die man nicht mag. Trotz allem habe ich die Erfahrung gemacht, dass man als europäischer Tourist viel lieber gesehen wird. Europa fasziniert die Menschen. Meistens wird man jedoch erst mal für einen Gringo gehalten. Wenn man dann aber erzählt, man komme aus Deutschland, werden einige Leute direkt viel freundlicher. Wenn man auf der Straße, in Geschäften oder Restaurants Englisch spricht, wird das gar nicht gern gesehen. In gewisser Hinsicht ist Mexiko aber immer noch auf die Hilfe aus den USA angewiesen. So kam vor gut zwei Wochen ein Ärzte- und Schwesternteam aus den USA, 45 Menschen, nach Veracruz. Sie haben fünf Tage lang Kinder kostenlos operiert, die von Geburt an eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder zusammengewachsene Finger haben. Dieser OP-Einsatz war wirklich eine tolle Sache, und das Team konnte vielen Kindern helfen. Unter den Ärzten waren zwei Zahnärzte. Sie kamen hierher in die Stadt, um ebenfalls armen Menschen zu helfen, was zahnärztliche Behandlungen angeht. Das alles lief unter sehr provisorischen Umständen ab: Behandlungen auf dem Wohnzimmersessel gehörten dazu. Das war wirklich ein Höhepunkt für mich, zu lernen, wie man sich für Menschen einsetzt, die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Zudem durfte ich selber helfen und auch bei den Operationen zusehen. Mein Jahr hier geht nun langsam aber sicher dem Ende zu, es ist alles wie im Flug vergangen. Ich hatte wirklich die beste und vor allem lehrreichste Zeit meines Lebens. Ich habe hier gelernt, Mexiko als Land mit seinen Leuten zu lieben - aber gleichzeitig auch den Stolz darauf, Deutsche zu sein. Es ist unglaublich, was man in einem Jahr, weit weg von zu Hause, lernen kann, und wie viele Dinge einem dadurch bewusst werden. So sehr ich mich auf Deutschland freue, einfach wieder den Wasserhahn aufzudrehen und frisches Wasser zu haben, durch saubere Städte zu gehen: Ich werde Mexiko unheimlich vermissen. Meine Freunde hier, meine Gastfamilie, das Essen - einfach mein Leben. Und: durch mexikanische Straßen zu schlendern und die Atmosphäre und das Leben dort zu spüren.

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