Verräterische Sau macht die Wittlicher berühmt

WITTLICH. Im vorigen Jahr hat Erich Gerten ein Buch mit dem Titel "Die Wittlicher Säubrenner" herausgegeben (12,50 Euro, in den Wittlicher Buchhandlungen erhältlich). Erstmals wird darin umfassend über Geschichte und Gegenwart des Wittlicher Ehrentitels und der daraus entstandenen Säubrenner-Kirmes berichtet.

Gerten legt in seiner Schrift auch die erste bekannte schriftliche Quelle der Säubrenner-Sage offen: "Die Säubrennersage - als ,Wittlicher Schildbürgerstreiche' ist sie erstmals 1927 niedergeschrieben worden. ... Peter Kremer (1901-1989), seinerzeit in Wittlich wohnhafter Publizist, ahnte wohl kaum, als er 1927 im Eifelvereinsblatt die Geschichte veröffentlichte, dass sie gut zwei Jahrzehnte später den Grundstein zu einer kulturellen Erfolgsstory allererster Güte legen sollte." Gerten fügt hinzu, die Sage sei nach seinen Recherchen auch zuvor nicht in Wittlich bekannt gewesen und auch nicht im Heimatkundeunterricht der Schulen verbreitet worden. Damit bestreitet er die vom Erfinder der Wittlicher Säubrenner-Kirmes, Matthias Joseph Mehs, wiederholt geäußerte Auffassung, die Sage sei seit Urzeiten bekannt gewesen. Maria Wein-Mehs, Tochter von Matthias Joseph Mehs, weist Gertens Theorie in einer ausführlichen Stellungnahme energisch zurück. Sie argumentiert, Mehs habe immer wieder - unter anderem 1965 im Kirmesheft "Der Säubrenner" - dargelegt, die Säubrenner-Kirmes "ist nichts Gemachtes, Erfundenes, nein - ein launisches Zurückbesinnen auf die eigene Vergangenheit, ein Anknüpfen an altes Volksgut, das in dem Spitznamen ,Säubrenner' seinen Niederschlag gefunden hat, (...) dass unsere Vorfahren zu Olims Zeiten in einer Art von Sippenhaft alle Schweine in der Stadt verbrannt hätten, weil eine Sau eine Runkelrübe zernagte, die das Stadttor verriegelte, so dass der Feind eindringen konnte. (...) Der Zauber der Säubrennerkirmes liegt also darin, dass nichts Neues geboten wird - die Wittlicher hießen von jeher Säubrenner - sondern Uraltes in zeitgemäßer Form. (...) Der Wittlicher könnte, wenn er wollte, für die Säubraterei noch viel weiter in die Vergangenheit zurückgreifen, aber ich möchte das hier nur andeuten, weil hierfür keine mündliche Überlieferung besteht, wie es die Moritat der verräterischen Sau am Stadttor ist." Maria Wein-Mehs kann sich nicht vorstellen, dass ihr Vater auf einer "an den Haaren herbei gezogenen Quelle ein Volksfest aufgebaut habe", und hält Spekulationen über neue Überlieferungen für abwegig. Frühere schriftliche Berichte als Gerten kann Maria Wein-Mehs aber nicht ausfindig machen. Spitzname wird zum Ehrentitel

Sicher ist: Den Wittlichern allein gehört der weltweit einmalige Spitzname Säubrenner. Auf ihn gründet die Säubrenner-Kirmes, und er wurde zu einem Ehrentitel. Die Entstehung dieses Namens ist wohl weit vor das Jahr 1927 zu datieren, ohne dass es dafür meines Wissens schriftliche Quellen gibt. Klaus Petry nimmt an, er habe sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingebürgert, wiewohl er dafür keine Belege aufweisen kann. Carl Nels begründet in seinen Beiträgen zur Chronik der Stadt 1929 diesen Namen mit der im Gerichts- und Schöffenprotokoll von 1795 gefundenen Notiz, wonach zur Separierung der Fasel- und Sauferkelherde die jungen Schweine nachgebrannt werden sollten. Wer aber - wie der Verfasser - keine einzige Säubrenner-Kirmes versäumt, die Begeisterung der Akteure und Zuschauer beim Kirmesspiel miterlebt, die ungebrochene Anziehungskraft des Wittlicher Fests auf Hunderttausende von Gästen und auf Wittlicher in aller Welt jedes Jahr neu gespürt hat, sieht allein den Ritter von Ehrenberg im Jahr 1397 als den Urheber allen Schicksalsschlags und Glücksfalls an und genießt auch in diesem Jahr, von jedem Disput unberührt, - Mehs sei Dank - den Saubraten, den Wittlicher Riesling und die unnachahmliche Atmosphäre des Hochfestes der Säubrenner.

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