Von Flaschen, die der Bierfreund niemals sah

BITBURG. Wussten Sie, dass der Vater des bekannten Schlager-Komponisten Ralph Siegel 1953 den Text für den ersten Radiospot von "Bitburger" geschrieben hat? Eine alte Schellackplatte mit dem kompletten Lied lagert zusammen mit uralten Brauereischildern aus Emaille, unzähligen Gläsern, Flaschen, Bechern, Bierdeckeln, Fässern, Bierkisten und Tausenden von Akten im Archiv der Bitburger Brauerei.

Wenn man das Archiv auf dem Gelände der Brauerei suchen müsste, würde man es wohl nicht finden. Hinter einem schlichten Industrie-Rolltor versteckt - hier vermutet man eher eine Produktionshalle - befindet sich der Zugang zu den speziell umgebauten Räumen des ehemaligen Hopfenkellers. Hier lagert die Geschichte einer der bedeutendsten Brauereien Deutschlands. Hüterin über das Erbe ist Katharina Dehnke. Sie ist die Unternehmens-Archivarin von "Bitburger". Vor fünf Jahren kam die Norddeutsche zu dieser Anstellung, nachdem sie an der Universität Trier ihr Geschichts- und Politikstudium mit Magister beendet hatte. Damals arbeitete man in der Brauerei an einer Chronik des Unternehmens und beschloss, dass mit dem Druck der Broschüre die Geschichtsrecherche noch nicht beendet sein soll. Unter der Leitung von Dehnke wurde fortan das Archiv weiter aufgebaut. Im ersten Raum fallen sofort die unzähligen Werbetafeln der Brauerei ins Auge. Die größten sind aus schwarz beschichtetem Glas gefertigt und mehr als einen Meter hoch. Bis in die 80er Jahre hingen sie oft rechts und links der Eingangstüren der Gasthäuser. Unter Sammlern gefragt sind besonders die alten Emaille-Schilder der Brauerei. "Je nach Größe, Alter und Zustand zahlen Sammler dafür schnell mal über 1000 Euro", sagt Dehnke und ergänzt: "Wir kaufen nicht zu jedem Preis. Die Leute denken zwar oft, die von der Brauerei haben es ja, aber der Preis muss trotzdem vernünftig sein." Ansonsten lehnt die 1,60 Meter große Frau ein Geschäft auch mal schweren Herzens ab. Am meisten fuchst es sie, wenn ihr eine Auktion im Internet durchgeht: "Bei e-bay wurde mal eine Glastafel der Brauerei aus den 20er Jahren versteigert, die wir noch nicht hatten. Das habe ich leider zu spät mitbekommen, sie war schon vergeben. Ich hab mich damals schwarz geärgert." Damit ihr so etwas nicht noch mal passiert, beobachtet sie gemeinsam mit einigen Kollegen regelmäßig die Versteigerungen im World Wide Web. In den Hochregalen des Archivs lagern Hunderte von verschiedenen Bitburger-Gläsern: Pokale, Kelche, große Becher, kleine Becher, und, und, und. Einige von ihnen wurden nur als Muster in kleinen Stückzahlen produziert. Teilweise wurde ein Entwurf mit dem Logo nur "aufgepappt". Der "gewöhnliche" Biertrinker in der Kneipe hat sie nie zu Gesicht bekommen. So auch eine bauchige Muster-Flasche aus der Zeit um 1970, die einem "Stubbi" ähnlich sieht. Das Besondere: Wollte man sie öffnen, musste eine Lasche gezogen werden, wie sie damals bei den Cola-Dosen üblich war. In Serie ging weder die Flasche noch der Verschluss. Stattdessen hielt man am bewährten Kronkorken fest. Den hat die "Bitburger" übrigens als eine der ersten deutschen Brauereien von 1951 an eingeführt. Er löste den bis dahin üblichen Bügelverschluss mit Porzellanpfropfen ab, was bei einigen Kunden Unmut auslöste. So waren die Bierflaschen mit dem Kronkorken nicht mehr wiederverschließbar. "Bitburger hat daraufhin für die Übergangszeit eine Kombination aus Korken und Kronkorken zu den Flaschen dazugegeben", sagt Katharina Dehnke. "Lange Zeit lagen diese eigentümlichen Verschlüsse hier im Archiv rum und keiner wusste, was es damit auf sich hat." Erst ein ehemaliger Mitarbeiter kannte den Hintergrund. Was die "Alten" vergessen, ist verloren

Immer wieder sind es die Ehemaligen, die vor dreißig, vierzig oder mehr Jahren in der Brauerei gearbeitet haben, die ihr wertvolle Hinweise geben. Aber auch die "Alten" vergessen, und so geht vieles verloren. Um so schöner, wenn es dann eines Tages wieder auftaucht: "Vor ein paar Jahren hat man uns ein braunes Emaille-Schild der Brauerei angeboten. Hier im Haus wusste keiner mehr, dass es die mal gegeben hat." Und dementsprechend fiel auch die Begeisterung aus: "Das ist großartig, wenn man so etwas angeboten bekommt. Ich freue mich dann immer riesig. Ein solches Exponat ist dann eine Zeit lang auch mein Lieblingsstück." Wenn Katharina Dehnke gerade nicht mit Recherchieren, Aufräumen oder Sortieren beschäftigt ist, kümmert sie sich um die Restauration von alten Maschinen und Bierfässern. Außerdem schreibt sie Aufsätze für hausinterne Veröffentlichungen, für den Heimatkalender des Kreises oder sie bereitet Ausstellungen vor. Die Bearbeitung von Presseanfragen mit historischem Bezug fällt ebenfalls in ihren Aufgabenbereich. "Es gibt auch immer wieder Anfragen von Sammlern, die alte Gläser oder Schilder datiert haben wollen." Nicht zuletzt gehören zum Archiv auch sämtliche Dokumente wie Urkunden und Schriftstücke aus dem Unternehmen. Sie füllen meterlange Regale. "Ich kenne in Deutschland nur zwei Brauereien, die ein solches Archiv wie wir haben", sagt Dehnke. Offizielle Besucherzeiten gibt es für die Räume nicht. Ausgewählte Exponate können im Besucherzentrum oder in Themenausstellungen bestaunt werden. Auf Anfrage gewährt Katharina Dehnke allerdings auch schon mal einzelnen Interessierten und Sammlern den Zutritt.

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