Zweifelhafte Entwicklungshilfe

CEBU. Landrückgewinnung für ein Gewerbegebiet, das keiner braucht - ist das Entwicklungshilfe? Tanja Granzow berichtet von den Philippinen.

Meist sind es die Definitionen ganz grundlegender Begriffe, die ungeheuer schwer zu definieren sind. Verantwortung, Respekt, Leben - was ist das? Ich zum Beispiel lebe nunmehr seit neun Monaten in einem so genannten Entwicklungsland, den Philippinen, und noch immer könnte ich nicht sagen, was Entwicklung nun eigentlich ist. Allerdings habe ich zu sehen bekommen, was andere als Entwicklung betrachten, und das hat mir eher Kopfschmerzen bereitet. Vor ein paar Tagen wurde ich von einer alarmierenden SMS aufgeweckt: Am Vorabend hatte wiederum ein Feuer mehr als 100 Häuser in einem der Slumgebiete zerstört. Innerhalb eines Monats war dies bereits der vierte Großbrand dort, der die Zahl der obdachlosen Familien auf knapp 2000 erhöhte. Was nach den beiden ersten Vorfällen noch wie eine tragische Unfallserie aussehen konnte, wird selbst für Außenstehende langsam verdächtig, ganz zu schweigen von denjenigen, die die Geschehnisse in den größeren Kontext einordnen. Seit Mitte der 90er Jahre werden von der japanischen Entwicklungshilfe (ODA Japan) zwei große Projekte in Metro Cebu durchgeführt. Beim ersten handelt es sich um eine Landrückgewinnung. Das dadurch gewonnene Areal soll als neues Gewerbegebiet ausgeschrieben werden, und das, obwohl das alte nicht einmal zur Hälfte genutzt wird und die Verschlechterung der ökonomischen Situation einen Bauboom kaum erwarten lässt. Um beide zu verbinden, soll zudem eine groß angelegte Zufahrtsstraße gebaut werden, das zweite Projekt.Japanische Firmen gewinnen, Betroffene verlieren

ODA Japan führt nun seit annähernd 50 Jahren zahlreiche Entwicklungsprojekte in südostasiatischen Ländern durch und ist berühmt-berüchtigt dafür, dass die an japanische Firmen geknüpften Aufträge deren Taschen füllen und die betroffenen Menschen, die von den Projekten profitieren sollten, oft in noch größerer Misere zurück gelassen werden. So auch in diesem Fall. Die Landrückgewinnung brachte den ohnehin schon am Existenzminimum lebenden Familien der Küstenlinie lediglich den Verlust ihrer einzigen Einnahmequelle, des Fischfangs. Zudem wurde ihr Wohngebiet auf Grund diverser Entwässerungssysteme, wie man mir sagte, so feucht, dass ich selbst im Hochsommer noch knöcheltief im stinkenden Schlamm waten musste. Was bei mir lediglich zu Unbehagen führte, sorgt unter den Müttern für Verzweiflung: Durchfallerkrankungen haben stark zugenommen und verursachen nicht selten den Tod von Kleinkindern, die sich dem Schlamm nicht entziehen können. Für den Bau der Zufahrtsstraße ging die Stadtverwaltung im Auftrag der Firmen gar noch weiter: Da diese durch ein großes Wohngebiet führen sollte, wurden zahlreiche Zwangsabrisse angeordnet, um Platz zu schaffen. An dieser Stelle aber schalteten sich Anwohnerverbände und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein und erreichten durch verschiedene Klagen einen vorläufigen Aufschub - bis die Brände ins Spiel kamen, und zwar in genau diesen Gebieten. Seltsam, oder etwa nicht? Das Projekt kann nun weiter gehen. Wie gesagt, wie man Entwicklung genau definieren soll, kann ich auch nicht sagen. So aber jedenfalls nicht.

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