Das ganze Jahr ist Karneval

WINTRICH. Zu ihrem 55-jährigen Bestehen laden die "Piffich Kerl’cher" Bürger und Karnevalsfreunde am 23. April zu einem Fest mit Messe und Jubiläumssitzung ein.

Kirchgänger, die am Samstag, 23. April, in Wintrich zur Abendmesse gehen wollen, müssen sich auf einiges gefasst machen. Denn in der Pfarrkirche dürfte sich an diesem Samstag bis 19 Uhr allerhand seltsames Volk eingefunden haben. Wintrichs Karnevalisten starten von dort aus zu ihrer Jubiläumssitzung "55 Jahre ,Piffich Kerl'cher'". Und wie es sich für Jecken gehört, werden sie dazu - wie ihre Gästeschar befreundeter Karnevalsvereine - in Uniform erscheinen, die "Kerl'cher" mit ihren neuen blau-weißen Gewändern samt Narrenkappen vorneweg. Auf diese Weise kommt Wintrich, dank seines verständnisvollen Pfarrers Leo Ehses, im Anschluss an die Mundartmesse auch gleich zu einem außerordentlichen Karnevalsumzug. Allerdings in Kurz-Version von der Kirche zur Festhalle "Vindriacum". Dort wird dann mit den Karnevalsvereinen "Narrenfrösche" Gladbach, "KC Narren Juch-ee" und "KV Mir sen Se" Piesport sowie den Osanner "Oestelbach-Lerchen" und Gästen aus Kenn und Mehring gefeiert. So gesellig wie in dieser Session ging es bei den "Piffich Kerl'cher" nicht immer zu. In den 60er Jahren hatte sich der Verein eine mehrjährige Auszeit genommen. Die Mitgliedsbeiträge liefen derweil ebenso weiter, wie die Kappensitzungen, für die der Sportverein einsprang. "Ab 1970 ging es dann wieder los", erinnert sich Achim Bau, der als 19-Jähriger schon bei der Gründung dabei gewesen war. Von den Ur-"Kerl'cher", die für ihre erste Sitzung 2000 Mark Kredit - "das war damals viel Geld" - hatten aufnehmen müssen, sei außer ihm nur noch Herbert Auler übrig geblieben. Daher ist es schade, dass die Chronologie der Anfangsjahre des Vereins Lücken hat. Doch, so Bau: "Zu der Zeit wurde kein Protokoll geschrieben - da wurde nur gefeiert." Wohl deshalb dauerte es auch, bis der Verein einen Namen hatte. Willi Kilburgs Stoßseufzer, "wir sind doch pfiffige Kerlchen, dass wir keinen Namen bei bekommen", sei schließlich die Rettung gewesen. Dass sie tatsächlich ganz schön pfiffig sind, bewiesen die Narren auch vor zwei Jahren, als sie statt eines Prinzenpaares ein Dreigestirn mit Prinz, Bauer und Jungfrau präsentierten. Doch ab und an scheint sie ihre Gabe doch zu verlassen, wie "Kerl'chen" Otto Linden beim Wagenbau im Vorjahr mitbekam. Eine für die Asphalt-Probleme in der Kurfürstenstraße angefertigte "Dampfwalze" habe partout nicht durch die Tür des Fertigungsraums gepasst. Und das, obwohl die Konstrukteure allesamt technisch versierte Leute gewesen seien, die einen Zollstock lesen könnten, sagte Linden. Doch die Wintricher Umzüge seien auch so immer gut gewesen, lobt Ludwig Auler. Selbst in den Anfangsjahren, direkt nach dem Krieg, als die Sitzungen noch vorwiegend aus Büttenreden bestanden. Heute sorgen Sketche, Tänze, die singenden "Weingrünen" und etliche Nicht-Mitglieder für ein buntes Programm. Gäste der Jubiläumssitzung dürfen sich zudem auf einen besonderen Leckerbissen freuen. In der Festhalle sollen Kopien der 1953 erschienenen, ersten und einzigen Karnevalszeitung zu sehen sein. Dass diese witzige Sammlung dörflicher Anekdoten eine Eintagsfliege blieb, lag laut Bau an dem Kostenbeitrag, den die Herausgeber damals dafür haben wollten. Den Kommentar eines älteren Winzers hat er noch heute im Ohr: "Für so ein Zeug gebe ich doch keine zwei Mark aus."

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