Langer Atem mit kurzen Saiten

REIL. Alles fing mit vier jungen Wandersmännern an. 1919 hatten sie sich zum "Fidelen Kleeblatt" zusammengeschlossen, das Mandoline und Gitarre spielte. Zwei Jahre später entstand zusammen mit weiteren Mitspielern der Mandolinenclub "Mosella". Heute spielen im Orchester 25 Frauen und Männer. 60 Musikfreunde unterstützen den Verein passiv.

Alles andere als Langeweile oder gar Ermüdungserscheinungen treten beim Mandolinenorchester auch 84 Jahre nach seiner Gründung auf. "Wir haben etwa 20 Auftritte im Jahr", freut sich die zweite Vorsitzende Helga Burg. Die Auftritte führen die Musiker weit über die Grenzen des romantischen Moseldorfs Reil hinaus. In Bad Bertrich und Bernkastel-Kues, Enkirch, Alf, St. Aldegund, Wittlich und Bullay wird ebenso aufgespielt wie in Traben-Trarbach. Das Repertoire des Mandolinenclubs, der seit 1996 von dem Klavierbauer Johann Marschenko geleitet wird, kann sich hören lassen: Folklore aus Amerika, Spanien, Argentinien, Italien, Irland, Russland, Frankreich und Deutschland steht ebenso auf dem Programm wie klassische Werke unter anderem von Verdi, Lehar, Händel und Mozart sowie Filmmusik, Stücke von André Rieu, Lieder aus Musicals und Evergreens. "Es ist Brauch, hier im Dorf bei Goldenen Hochzeiten zu spielen, und wir geben auch Gastspiele bei anderen Vereinen", sagt Helga Burg. Und was wäre das Reiler Straßenweinfest ohne sein Mandolinenorchester? Und so richtig feierlich wird's Weihnachten, wenn in der Reiler Kirche musiziert wird. In ihrer moseltypischen Winzertracht - die Damen in grünen Röcken mit weißen Schürzen, schwarzem Mieder und roten Tüchern, die Herren in schwarzen Hosen und grüner Weste - sind die Musiker überdies ein bunter Blickfang. Doch der Nachwuchs fehlt, einige Musizierende gehören seit mehr als 50 Jahren dem Club an und sind bereits jenseits der 70. Viele junge Menschen wurden zuletzt an den Instrumenten angelernt, aber durch Ausbildung, Studium oder Beruf blieben sie dem Verein nicht treu. Der Vorstand setzt nun auf Wiedereinsteiger oder neue Mitglieder mit Mandolinenkenntnissen. Tatkräftige Unterstützung gibt es bereits aus Enkirch, Burg und Traben-Trarbach. "Jede Altersstufe ist willkommen", sagt die zweite Vorsitzende. "Johann Marschenko hat so eine lustige, lockere Art, das sind immer sehr lebendige Proben", sagt sie und merkt an, dass der aus Russland stammende Leiter des Orchesters auch Balalaika und Gitarre spielt sowie die Stücke von André Rieu für sein Orchester umschreibt. "Wir sind ein sehr aktiver Verein", stellt Helga Burg fest. Wanderungen und Vereinsfahrten stehen neben Grillabenden und dem gemütlichen Beisammensein nach der Probe auf dem Programm. Der Reiler Mandolinenclub verbindet. Er hat bereits viele überregionale Stammzuhörer, freut sich Berg, und so manche Ehe habe der Club auch schon gestiftet. Gerne blättert Burg auch in den Unterlagen zur Gründungsversammlung am 28. April 1921. Den Mitgliedern drohte Ausschluss, wenn sie sich zum Beispiel "durch unanständiges Benehmen in Gesellschaft und Öffentlichkeit schuldig" gemacht hatten oder zu oft bei den Übungen fehlten. Alkoholgenuss und Rauchen waren während der Proben untersagt.Wer dagegen verstieß, musste eine Mark in die Vereineinskasse zahlen.

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