Früher hielt vorm Haus die Kleinbahn

Genau vor 100 Jahren baute Karl Conrad in Wolf das "Gasthaus zum Bahnhof". Zwei Jahre zuvor war die Moselbahn in Betrieb genommen worden. Heute nennt sich das Haus "Landhaus am Ufer" und wird von Karl Conrad jun. in dritter Generation geführt.

Traben-Trarbach-Wolf. Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte eine große Aufbruchstimmung. Es wurde gebaut und investiert, Traben-Trarbach entwickelte sich zur Metropole des deutschen Weinhandels. Und in dieser Zeit nahm auch die Moselbahn ihren Betrieb auf, die Strecke führte von Trier bis Bullay, der Zug machte in jedem Dorf halt. Auch durch Wolf, heute ein Stadtteil von Traben-Trarbach, zuckelte die "Kleinbahn", die liebevoll auch "Saufbähnchen" genannt wurde. Karl Conrad, der aus Brauneberg stammte, zeigte Mut und ergriff die Chance. Er baute 1907 in der Bahnhofstraße 130 das stattliche "Gasthaus zum Bahnhof".Diesem waren eine Kegelbahn und eine Festhalle angegliedert. Conrad war ein außergewöhnlich tatkräftiger Mann. Der Gastro-nom entwickelte "nebenbei" Weinpumpen für die Kellerwirtschaft, baute Treppenanlagen für die Steillagen und betrieb einen Festzelt-Verleih.Im Jahr 1930 übernahm sein Sohn Carl-Reinhold Conrad den Betrieb, musste aber wie die meisten seiner Altersgenossen bald in den Krieg. Während des Krieges beschlagnahmten die Nazis die Festhalle als Gefangenenlager, das Festzelt diente als Unterstand für Pferde. Im Jahr 1946 kehrte Carl-Reinhard Conrad verletzt aus dem Krieg zurück, brachte aber bald wieder mit Ehefrau Olga Elfriede das Gasthaus und die Landwirtschaft in Gang. Bald reisten die ersten Gäste aus dem Ruhrgebiet an, auch ehemalige französische Gefangene kamen nach dem Krieg zurück und gönnten sich im "Gasthaus zum Bahnhof", wo sie während des Krieges in Gefangenschaft waren, einige schöne Urlaubstage. Der Aufschwung hielt an, im Gasthaus wurde gefeiert und getanzt, Theater gespielt und Kinofilme gezeigt. Im Jahr 1983 übernahm Karl Conrad jun. das Gasthaus. Nach und nach renovierte und gestaltete er das Haus um, nannte es in "Landhaus am Ufer" um (die Moselbahn hatte Anfang der 60er Jahre ihren Betrieb eingestellt). Acht Zimmer stehen den Gästen, die teilweise über den Flughafen Hahn anreisen, zur Verfügung. Jedes ist anders zugeschnitten, jedes ist individuell eingerichtet. Karl Conrad ist Mädchen für alles, er steht an der Rezeption, nimmt Buchungen entgegen, macht die Abrechnungen und sorgt morgens für das Frühstücks-Büffet.Während der Hauptsaison helfen ihm sein Bruder Rolf, der dann aus Berlin anreist, und seine Schwester Brigitte. Auch Mutter Olga Elfriede ist noch mit im Betrieb, sie kümmert sich unter anderem um die Wäsche. "Die Saison ist kurz, da rechnet es sich nicht, groß Personal einzustellen", sagt Conrad. Der 58-jährige Junggeselle hofft, dass irgendwann ein Nachfolger einsteigt und die Tradition des Hauses fortgesetzt werden kann.

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