Frauenpower mit Tradition

BERNKASTEL-KUES. Dass ein Weingut an der Mosel eine jahrhundertealte Tradition hat, ist nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist aber sicher die Tatsache, dass ein Weingut seit vier Generationen ununterbrochen ausschließlich von Frauen geführt wird. Sofia Thanisch-Spier leitet seit Mitte der 90er Jahre das renommierte Weingut Witwe Dr. H. Thanisch, Erben Thanisch in Bernkastel-Kues.

 Sofia Thanisch-Spier führt heute das renommierte Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch in Bernkastel-Kues. Foto: Winfried Simon

Sofia Thanisch-Spier führt heute das renommierte Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch in Bernkastel-Kues. Foto: Winfried Simon

Katharina Thanisch muss eine außerordentlich starke Persönlichkeit gewesen sein. Die 1865 geborene Frau war gerade 30 Jahre alt, als ihr Mann, Dr. Hugo Thanisch, verstarb. Und doch gelang es ihr vor über 100 Jahren das sich erfolgreich entwickelnde Weingut an der Saarallee in Kues weiterzuführen und seinen Weltruf mitzubegründen. "Frauenpower" vererbt

Diese Frauenpower ist offenbar an die nachfolgenden Generationen weitervererbt worden. Heute führt Sofia Thanisch-Spier, die Urenkelin der "berühmten Witwe", das Gut. Über 6,5 Hektar Weinberge in den besten Lagen der Mittelmosel, wie Berncasteler Doctor, Bernkasteler Badstube, Bernkasteler Lay und Brauneberger Juffer-Sonnenuhr verfügt das Gut. Sofia Thanisch-Spier übernahm 1996 den Betrieb, zuvor hatte sie bei ihrer Tante und Weingutsleiterin Mechthild Thanisch das Weinguts-ABC gelernt. Fehlt noch eine Frau in der Ahnenreihe. Diese hieß Sofie Thanisch, Tochter der "Witwe Dr. Thanisch", die ebenfalls das Weingut erfolgreich führte. Sofia Thanisch-Spier ist glücklicherweise keine Witwe, sie ist verheiratet und Mutter zweier Töchter. Stark anzunehmen also, dass das Weingut in Frauenhand bleibt. "Ich mache alles, außer Keller und Weinberg", beschreibt Sofia Thanisch-Spier ihre "Stelle". Und das ist für eine Hausfrau und Mutter wahrlich mehr als genug. Für die Außenwirtschaft und die Kellerarbeit ist ein Betriebsleiter verantwortlich, mit dem sich Sofia Thanisch-Spier ständig austauscht. Ihr Arbeitsplatz ist das Büro und die Weinprobierstube. Ferner ist sie häufig auf In- und Auslandsreisen. Auch wenn das Gut ein großes Renommee hat und einen Hektar Weinberge in der wohl berühmtesten Moselweinlage, dem Berncasteler Doctor, besitzt - die Weine verkaufen sich nicht von selbst. Das war mal anders. Damals, vor über 40 Jahren, als fast die gesamte Ernte bei der Weinversteigerung in Trier innerhalb weniger Tage zu sehr guten Preisen unter den Hammer kam. Heute sind es weniger als fünf Prozent der Weine - fast ausschließlich Raritäten, die bei der berühmten Auktion des Großen Rings der Mosel-Prädikatsweingüter abgesetzt werden. Ein großer Teil der Weine geht in den Export, vornehmlich in die USA, nach Japan und in eine Reihe von europäischen Ländern. In Deutschland sind die Weine vor allem in der gehobenen Gastronomie und im Fachhandel vertreten. Sofia Thanisch-Spier bemüht sich weiter darum, möglichst viele Absatzmärkte zu erschließen. "In früheren Jahren wurde fast alles versteigert, und wir hatten nur eine Hand voll Großkunden. Heute ist das anders. Es ist wichtig, das Risiko zu minimieren und mehrere Absatzwege zu haben. Während heute so manches Weingut versucht, mit "innovativen Produkten" und einer außergewöhnlichen Ausstattung modern zu wirken, bleibt das Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch konsequent der Tradition verbunden. Kein Rotwein, kein Sekt, ausschließlich Riesling-Steillagenweine werden erzeugt. Seit 1901 ziert ein wunderschönes Jugendstil-Etikett die Weinflaschen. Es zeigt das 1884 erbaute Gutshaus und die Ansicht von Bernkastel der Doctor-Lage. Auch die vor 20, 30 Jahren ausgelöste "Trockenwelle" ist größtenteils am Weingut vorbeigeschwappt. Ein Großteil der Weine verfügt über eine angenehme Restsüße, eine Geschmacksrichtung, die die Leichtigkeit und Filigranität der Moselweine besonders unterstreicht.

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