Kleiner Bruder des Nürburgrings

WITTLICH. Der kleine Wittlicher Nürburgring ist immerhin 4,5 Kilometer lang, hat eine Schleife und mehrere Kreisel. Publikum kommt dennoch nicht. Die Teststrecke im Dunlop-Werksgelände wird ständig genutzt.

"Der Reifen ist der wichtigste Teil des Autos", sagt Jörg Vormfenne, Abteilungsleiter im Fahrversuch der Firma Dunlop. Er begründet dies damit, dass der Reifen die Kräfte vom Fahrzeug auf die Straße übertragen muss und damit entscheidend für die Fahrsicherheit ist. Bei allen Neuentwicklungen wie beispielsweise bei Profiländerungen oder Veränderungen der Gummimischung werden die Fahreigenschaften unter die Lupe genommen. Wintertests in Skandinavien

In Wittlich ist eigens für diese Zwecke bereits 1985 auf einer Gesamtfläche von 67 000 Quadratmetern eine Teststrecke errichtet worden. Die imposante Anlage mit Schleifen und Kreiseln und einer Fahrbahnlänge von 4,5 Kilometern auf dem Wittlicher Dunlop-Werksgelände ist die einzige dieser Firma in Deutschland. In Wittlich werden die Fahreigenschaften bei Nässe sowie die Reifengeräusche getestet. Das Trockenverhalten erproben die Testfahrer auf dem Nürburgring, die Wintereigenschaften auf angemieteten Strecken in Österreich, Skandinavien und Neuseeland. Auf dem Wittlicher Testgelände dreht derweil ein Fahrzeug die ersten Runden auf der teils trockenen, teils künstlich bewässerten Schleife. Ein neues Profil wird erprobt. Das Aquaplaning-Verhalten steht auf dem Programm. Von Runde zu Runde erhöht der Fahrer die Geschwindigkeit, fährt zunächst in ein zentimeterhohes künstliches Aquaplaning-Becken hinein, um dann auf normal beregneter Strecke das Bremsverhalten zu testen. Die Ergebnisse werden im "Tower" beobachtet. Dort werden die vom Fahrzeug übermittelten Messdaten aufgezeichnet und später technisch ausgewertet. Heute merken die Testfahrer, dass eine kleine Änderung das Bremsverhalten verbessern könnte. Sie greifen zum Handwerkswerkzeug und verändern manuell das Reifenprofil. Dann geht es von Neuem los. Runde für Runde, Schleife für Schleife und wieder hinein in das Aquaplaning. Die Testergebnisse werden der Konstruktionsabteilung übermittelt. "Testfahrer zu sein ist kein Traumjob." Jörg Vormfenne weiß dies aus beinahe 20 Jahren Erfahrung. Fahren im Grenzbereich werde zwar auch verlangt. Aber auf dem Dunlopgelände sind keine Show-Einlagen zu beobachten und keine für den Beobachter spektakulären Szenen wie in Fernsehfilmen. "Sprungschanzen brauchen wir nicht." Das Reifenverhalten sei auf Grenzbereiche ausgelegt und auf Situationen, in denen ein Fahrzeug beispielsweise beim Kurvenfahren auszubrechen drohe, sagt Vormfenne. Ebenso wichtig in der heutigen Zeit: Der Reifen beeinflusst den Kraftstoffverbrauch. Dunlop testet in Wittlich Reifen für alle deutschen Automobilhersteller. Was von außen wie normales Fahren aussieht, macht einem ungeübten Beifahrer dennoch ganz schön zu schaffen. Die Fahrt im Kreisel mit einer Geschwindigkeit, die für den Normalfahrer unweigerlich zum Ausbrechen oder gar zum Überschlag führen würde, ist einem Karusselleffekt mit Schwindelgefühlen vergleichbar. "Wir hatten in 20 Jahren nur einen einzigen leichten Unfall. Es kann spektakulär werden. Aber das ist nicht unser Ziel. Die Fahrten sind standardisiert und ungefährlich", erläutert Vormfenne. Deswegen drehen die Testfahrer fast täglich ihre Runden, immer beobachtet von Kollegen und vom Computer, der ebenso Tag für Tag die Messdaten auswertet.

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