Bopparder Bluttat einer Eiflerin war kein Mord

Eine entscheidende Wende im Bopparder Mordprozess: Denn Mord war es nicht, sagen Anklage und Gericht. Jetzt geht es "nur" noch um Totschlag.

Koblenz/Boppard. Der Vorwurf "Mord" ist für die ehemalige Bopparder Supermarktleiterin vom Tisch - zum ersten Mal in der langen Prozessgeschichte. Dass für Staatsanwaltschaft wie für Gericht "nur" noch eine Verurteilung wegen Totschlags infrage kommt, erklärte der Vorsitzende Richter zu Beginn der Verhandlung am Montag vor dem Landgericht Koblenz. Damit geht es für die 35-jährige Angeklagte, die ihre 18-jährige Aushilfe getötet haben soll, nicht mehr um die lebenslange Höchststrafe von 15 Jahren. Auf Totschlag stehen 5 bis 15 Jahre Haft: Wie weit das Schwurgericht diesen Strafrahmen ausschöpft, wird voraussichtlich am Dienstag, 19. Juni, entschieden. Dann soll das Urteil fallen. "Die Staatsanwaltschaft geht nicht mehr von der Verwirklichung eines Mordmerkmals aus. Das deckt sich nach der bisherigen Beweisaufnahme mit der Einschätzung der Kammer", sagte der Vorsitzende Richter Andreas Dühr. Dieser Erklärung des Gerichts war ein Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorausgegangen, in dem die Anklage ihre Karten offengelegt hatte - mit dem Ergebnis, dass der Mordvorwurf fallen gelassen wurde.Mord nicht durch mehrdeutige Beweise zu untermauern

"Wir müssen uns an die Fakten halten", kommentierte Verteidiger Dr. Gerhard Prengel den Entschluss. Heißt: Die Spuren beweisen nur zweierlei - dass die Angeklagte mit ihrem Opfer im Auto saß und bereits dort auf das Mädchen eingestochen hat. Die Jugendliche ist dann auf die Straße gelaufen, bis zu dem Ort, an dem sie gefunden wurde. "Mehr wissen wir nicht", sagte Prengel. Mit mehrdeutigen Beweisen aber lässt sich ein Mord nicht untermauern. Damit hat die Verteidigung ihr wichtigstes Etappenziel erreicht.Nicht ganz aber, was die Einschätzung des psychiatrischen Gutachters angeht: Er hält die Angeklagte für voll schuldfähig. Selbst wenn alles stimmt, was die Angeklagte zum verhängnisvollen 7. Januar 2006 erzählt hat, erkennt Facharzt Dr. Stefan Elsner "keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung", die eine Strafe mildern könnte. Die Angeklagte will von ihrem Opfer zuerst beleidigt und angespuckt worden sein und einen "Filmriss" gehabt haben, just als sie mit dem Messer anfing zuzustechen. Doch falls sie lügt, hat sie bewusster gehandelt, als sie vorgibt, sagte Elsner - und das führt von den mildernden Umständen noch weiter weg. Und obwohl Elsner es für möglich hält, dass die Jugendliche ihre Chefin im Auto aggressiv angegangen hat, meldete er Zweifel an anderen Passagen aus der Version der Angeklagten an: "Ich habe erhebliche Schwierigkeiten damit, dass sie nicht wissen will, womit sie zugestochen hat - und mit der vollständigen Erinnerungslücke auf der Fahrt nach Hause", sagte der Psychiater und Neurologe aus Andernach. Wieviel Gewicht die 6. Große Strafkammer auf das psychiatrische Gutachten legt, wird in der Urteilsbegründung nächste Woche zu hören sein. Hintergrund Die heute 35-jährige Frau aus dem Altkreis Prüm wurde am 12. Juli 2006 vom Landgericht Koblenz wegen Mordes zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Sie hatte als Filialleiterin in einem Bopparder Supermarkt gearbeitet und im Januar 2006 eine 18 Jahre alte Aushilfe nach einem massiven Streit getötet. Im Urteil hieß es damals, die extrem ehrgeizige Filialleiterin habe sich in ihrer Autorität angegriffen gefühlt. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil Anfang dieses Jahres auf und gab den Fall an eine andere Kammer des Gerichts zurück. Dem BGH-Beschluss zufolge hatte das Landgericht Koblenz unter anderem das angenommene Mordmerkmal der Heimtücke nicht ausreichend begründet. (red)

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