Darf´s ein bisschen mehr sein?

Arzfeld · Wer hätte das erwartet: Arzfeld ist älter als gedacht. Bisher ging man davon aus, dass der Islekort 1397 erstmals urkundlich erwähnt wurde, zufällig stieß der Historiker Horst Becker aber auf ein 53 Jahre älteres Pergament.

 Arzfeld ist älter als gedacht. Offensichtlich wird es bereits 53 Jahre früher urkundlich erwähnt. Bislang war die erste Erwähnung auf das Jahr 1397 datiert. TV-Foto: Frank Auffenberg

Arzfeld ist älter als gedacht. Offensichtlich wird es bereits 53 Jahre früher urkundlich erwähnt. Bislang war die erste Erwähnung auf das Jahr 1397 datiert. TV-Foto: Frank Auffenberg

Foto: Frank Auffenberg (aff) ("TV-Upload Auffenberg"

Arzfeld. Für viele Menschen kommt irgendwann in ihrem Leben der Punkt, an dem sie ihr Alter geflissentlich unter den Tisch fallen lassen, ganz anders sieht es bei Kommunen aus. Sie rühmen sich gerne einer langen Geschichte, pochen auf ihre teils Jahrtausende währende Historie. Der Goldstandard fürs Alter ist hier die erste urkundliche Erwähnung - auf irgendetwas muss man sich ja verlassen können, um Jubiläen gebührend zu feiern. Im Islek würde das nächste Fest eigentlich im kommenden Jahr anstehen, wenn Arzfeld seine erste Nennung aus dem Jahr 1397 und damit sein 620. Jahr feiert - wohlgemerkt eigentlich, denn unverhofft tauchte nun ein 53 Jahre älteres Dokument auf. Kurios: es war seit 100 Jahren öffentlich zugänglich - allein deutschsprachige Historiker haben es bisher wohl schlicht nicht gekannt oder beachtet. Bis der Arzfelder Horst Becker, pensionierter Geschichtslehrer der ehemaligen Hauptschule Daleiden, zufällig auf einen ersten Hinweis stieß.Unbekanntes Pergament


Eigentlich habe er über Feuerstellenverzeichnisse aus dem Islek recherchiert, sagt er. Im Luxemburger Nationalarchiv sei er dafür unterwegs gewesen, als er aus einer Laune heraus in der Datenbank der Obermoselzeitung aus Spaß das Stichwort Arzfeld eingab "und zu meiner eigenen Verwunderung prompt fündig wurde. Erst las ich nichts besonderes, hier und da standen ein paar kuriose Meldungen, doch ein Artikel in der Ausgabe vom 15. Dezember 1938 weckte meine Aufmerksamkeit." Eine Urkunde von 1344 sei dort beschrieben worden, die sich mit einer Gerichtsangelegenheit im Ort "Artsuelt" befasst (siehe Hintergrund). "Durchaus sehr ausführlich wird ein Streit wegen eines Brandes beschrieben. Doch ich dachte erst, dass die Jahreszahl ein Druckfehler sein muss." Beckers Neugierde war geweckt, er forschte weiter, erkundigte sich nach dem Verbleib des Pergaments und hatte erneut Glück: diesmal im belgischen Generalstaatsarchiv. Dort liegt nämlich eine 1915 von Alphonse Verkooren veröffentlichte mehrbändige Urkundensammlung. In ihr der ersehnte Volltreffer: Im zweiten Band, unter der Dokumenten-Nummer 888 findet sich genau das gesuchte Schriftstück und in der Obermoselzeitung beschriebene Schriftstück (siehe Extra). "Fest steht damit, das Arzfeld 53 Jahre älter ist als gedacht - mindestens, denn bis sich die Herren stritten und es verfasst wurde, wird einige Zeit vergangen sein und der Ort ja vorher schon existiert haben."

Warum es in die geschichtlichen Abhandlungen des Isleks keinen Eingang gefunden hat? "Darüber lässt sich nur mutmaßen. Sicherlich dürfte ein Grund darin zu sehen sein, dass durch die Weltkriege sich zunehmend vertiefende Gräben zwischen französischsprachigen Historikern und ihren deutschsprachigen Kollegen auftaten."
Die Überraschung ist auch für den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Arzfeld perfekt. "Wer rechnet denn bitte damit? Ich ging immer irgendwie davon aus, dass so etwas wie das Alter eines Orts in Stein gemeißelt ist", sagt er mit ironischem Entsetzen. "Aber mal im Ernst," ergänzt er, "ich bin wirklich beeindruckt, dass das jetzt erst entdeckt wurde. Es ist wirklich toll, wenn sich Leute mit so einer Begeisterung unserer Vergangenheit widmen und dann sogar versuchen neues zu entdecken." Und das wird Becker weiterhin tun, denn es gibt eine weitere Spur. "Sie führt nach Manchester, wo ein gewisser Lord Crawford im 19. Jahrhundert ein liturgisches Buch kaufte. Es befasst sich mit Prozessionen nach Prüm, zu denen die Islekorte verpflichtet waren. Ich bin gespannt, ob es Hinweise auf noch frühere Belege Arzfelds gibt, denn älter als 672 Jahre muss es ja sein."Extra

Einschlägige Abhandlungen und Chroniken bezogen sich beim Alter Arzfelds bisher auf eine Schrift von 1913. Abbé D. Guilleaume aus Lüttich erstellte damals das akribische Verzeichnis "L'archidiaconé d'Ardenne dans l'ancien diocèse de Liège". Es führt Urkunden aller Orte auf, die dem ehemaligen Diakonat Stablo des Bistums Lüttich angehörten. Viele Urkunden und Belege gingen im Laufe zweier Weltkriege verloren, doch das Verzeichnis des Abbés galt seitdem mit der Nennung einer Urkunde von 1397 als Hinweis auf Arzfelds Alter. Nur zwei Jahre später allerdings veröffentlichte Alphonse Verkooren seine mehrbändige Sammlung "Inventaire des chartes et cartulaires du Luxembourg". Im Band 2 unter Nummer 888 findet sich darin der bisher nicht beachtete Beleg mit dem Datum 6. Juni 1344. affExtra

 Sehr deutlich: Direkt in der ersten Zeile ist in der nun gefundenen Urkunde das Datum 6. Juni 1344 zu erkennen. Repro: Horst Becker

Sehr deutlich: Direkt in der ersten Zeile ist in der nun gefundenen Urkunde das Datum 6. Juni 1344 zu erkennen. Repro: Horst Becker

Foto: (e_pruem )

In der im belgischen Generalstaatsarchiv entdeckten Urkunde vom 6. Juni 1344 schlichtet Johann der Blinde einen Streit zwischen seinem Vetter Theobald, dem Grafen von Bar (Lothringen) und dem Ritter Kuno von Ouren (Belgien). Die Leute des besagten Theobald hatten das Dorf Arts(v)uelt, das Kuno gehörte, niedergebrannt und als Wiedergutmachung mussten jährlich 10 Malter Weizen, 10 Malter Roggen, 10 Malter Hafer und drei Karren Wein an die Herrschaft Ouren geliefert werden. Finanziert wurde das Ganze aus den Einkünften des Theobald aus dem Hof von Grevenmacher (Luxemburg) und dem Brückenzoll von Bullay an der Mosel; abzulösen wäre die Grundrente jederzeit durch eine Zahlung von 1000 Goldgulden. Vermutlich dauerte der Streit zwischen Theobald und Kuno schon länger an, ehe er im Juni 1344 geschlichtet wurde. aff/Quelle: Horst Becker

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