"Das ist behördliche Willkür"

Weil die Verbandsgemeinde Obere Kyll die Jünkerather und Stadtkyller Straße in Schüller als einen Straßenzug sieht, müssen alle Anlieger beider Straßen für den Ausbau der Stadtkyller Straße zahlen. Dagegen wehren sich die acht Hausbesitzer der Jünkerather Straße. Die Angelegenheit kommt vor den Kreisrechtsausschuss.

Schüller. "Die arbeiten mit Absurditäten und entscheiden völlig willkürlich. Das ist einfach grotesk", schimpft Heinz Holtmann in Richtung Jünkerather Rathaus. Der Galerist aus Köln besitzt und betreibt seit 1980 in der Jünkerather Straße 16-18 in Schüller eine Rahmenwerkstatt mit zwei Festangestellten. Der 68-Jährige ist quasi der Sprecher der acht zahlungspflichtigen Parteien aus der Jünkerather Straße. Holtmann: "Das ist eine bodenlose Ungerechtigkeit, gegen die wir uns zur Wehr setzen müssen." Nachbar Matthias Jehnen redet Tacheles: "Das ist eine Sauerei. Wir haben doch schon zwei Mal bezahlt." Jehnen besitzt das Haus seit 1959 und hat nach eigenem Bekunden bisher rund 15 000 Euro Anliegerbeiträge bezahlt. Der neue Bescheid geht über 1700 Euro. Holtmann soll knapp 5000 Euro bezahlen.Rückblende: 2006 wurde die Spitzkehre in der Schüllerer Ortsmitte durch eine lang gezogene Kurve ersetzt. Die Gabelung zwischen Stadtkyller und Jünkerather Straße wurde "runder". Die Abzweigung Kirchstraße blieb davon unberührt. Auch die Straßennamen blieben. Holtmann sagt: "Wer mit gesundem Menschenverstand unterwegs ist, sieht doch, dass es noch immer zwei separate Straßen sind."Richard Bell, zuständiger Beitragssachbearbeiter im Jünkerather Rathaus, erklärt: "Nach meinem Dafürhalten besteht nach der erfolgten Umbaumaßnahme jetzt ein fließender Übergang, und damit ist nach der im Beitragsrecht natürlichen Betrachtungsweise von einer Verkehrsanlage auszugehen." Im Beitragsrecht komme es "unabhängig von Straßennamen allein auf den vom Erscheinungsbild der Anlage geprägten Gesamteindruck an."Sammelklage nicht möglich

Bell: "Mir ist bewusst, dass sich diese Situation für Laien im Beitragsrecht unverständlich darstellen mag." Auch gibt er Jehnen, der 1979 für den Ausbau der Gehwege in der Jünkerather Straße bezahlte, teilweise Recht. Damals hätten die Anwohner der Stadtkyller Straße nicht für den Ausbau der Jünkerather Straße gezahlt. Bell erklärt: "Damals war eine Kreuzungssituation vorhanden, die durch den Ausbau entfallen ist, und heute ist es mit der Kurve ein Straßenzug." Seine Auffassung basiere nicht auf Willkür, sondern auf jahrzehntelangen Rechtsprechungen."Wer beitragspflichtig ist, entscheidet nicht die Ortsgemeinde, sondern ist nach gültigem Recht und dazu ergangener Rechtsprechungen von der Verbandsgemeinde zu klären", sagt Bell.Alle Anwohner der Jünkerather Straße haben Widerspruch eingelegt. Sprecher Holtmann sagt: "Wir haben auch einen Anwalt eingeschaltet und gehen weiter." Jehnen wettert: "Es ist auch ein Unding, dass wir keine Sammelklage führen dürfen. Einer muss unser Recht durchboxen, und dann können die anderen folgen."Der Kreisrechtsausschuss und der Petitionsausschuss des Landtages befassen sich demnächst mit dem Streitfall in Schüller. Sachbearbeiter Richard Bell rechnet mit einer Entscheidung vor dem Trierer Verwaltungsgericht. Meinung Altes System abschaffen Das System der Einzelabrechnungen nur für die Anlieger der jeweils aktuell betroffenen Straßen hat sich überlebt. Auch wenn Ratenzahlung und Stundung der Beiträge möglich sind, führt das System grundsätzlich zu hohen Belastungen weniger Bürger innerhalb kurzer Zeit. Damit wird der Solidargedanke ad absurdum geführt und die Pflege der Infrastruktur eines Dorf gehemmt, da bei vielen Projekten mit Widerstand gebeutelter Anlieger zu rechnen ist. Zudem birgt die Regelung einen ständigen Streitherd: Welche Straßen bilden tatsächlich eine Verkehrsanlage und gehören deshalb zur selben Abrechnungseinheit? Der für Laien schwer nachvollziehbare Fall Schüller ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Lösung des Dilemmas hat der Gesetzgeber längst ermöglicht: wiederkehrende Beiträge. Dabei zahlen alle Grundstückseigentümer einer Ortsgemeinde oder Stadt jedes Jahr ihren Anteil an den Straßenbau- und Gehweg-Investitionen im gesamten Ort — eventuell mit Ausnahme ausgegliederter Ortsteile. Das hilft den Schüllerern kurzfristig leider nicht weiter. Deshalb bleibt nur die Klärung der Rechtslage. m.hormes@volksfreund.de

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