"Das ist einfach auch ein Hilfeschrei": Bauernverbände rufen nach Unterstützung aus der Politik

Bitburg/Sellerich/Üttfeld · Die Lage der Landwirte spitzt sich zu: regenarmer Sommer, Preise im Keller, China in der Krise, Russland lässt nichts rein - in der kommenden Woche wollen die Bauernverbände in Sellerich und Üttfeld Hilfe von der Politik einfordern, um die Situation überstehen zu können. Weitere Aktionen sind geplant.

TV-Archiv-Foto: Fritz-Peter Linden

TV-Archiv-Foto: Fritz-Peter Linden

"Wir wollen zeigen, dass es wirklich allerhöchste Zeit ist zu handeln", sagt Michael Horper. Der Landwirt aus Üttfeld und Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau will am kommenden Montag, 31. August, auf dem Hof seines Kollegen Michael Steils in Sellerich-Hontheim einen öffentlichen Appell an Bund, Land und EU richten.

Es gehe darum, irgendwie "über die nächsten Monate zu kommen und wieder eine Perspektive zu zeigen" - und das sei ohne Hilfe für viele nicht zu schaffen.

Die genauen Forderungen will Horper am Montag darlegen - ein Beispiel hat er aber schon: Geld aus den Strafzahlungen ("Superabgabe"), die für zu hohe Lieferungen von den Milchbauern an Brüssel abgedrückt wurden, als Hilfe zurückzuerhalten.

"Das ist einfach auch ein Hilfeschrei", sagt Horper. "Im Moment ist es so, dass viele Betriebe einfach nicht mehr können. Es ist jetzt Zeit, dass wirklich auch von der Politik etwas passiert." Der Termin in Sellerich sei zugleich dazu gedacht, auf die große Demonstration der Bauern am Montag, 7. September, in Brüssel einzustimmen.
Wichtig ist für Horper aber vor allem, dass man verstehe, wie schwierig die Situation tatsächlich sei. "Vier bis fünf Prozent der Betriebe hören jedes Jahr auf", das könne man noch unter "normaler Strukturwandel" verbuchen. "Aber es könnten in diesem und dem nächsten Jahr zehn Prozent sein. Wenn sich nicht schnell was ändert, wird es zu Strukturbrüchen kommen."
Denn in diesem Jahr kommt es für die Bauern knüppeldick: Frühling und Sommer brachten zu wenig Regen, "wir hatten nur einen guten Grünschnitt, normal sind drei oder vier. Also müssen wir Futter zukaufen für den Winter - mit Geld, das im Moment einfach nicht vorhanden ist."

Nächstes Problem: der schwache Markt. Die Milchbauern erhalten derzeit um die 26 Cent für den Liter, man brauche aber mindestens zehn Cent mehr, um gerade so über die Kosten zu kommen. Ähnlich sehe es bei den Schweinebauern aus: Statt etwa 1,80 bis 1,90 Euro für das Kilo Fleisch erzielen sie momentan nur 1,36 Euro. Dazu kommt das russische Embargo gegen EU-Lebensmittel infolge der Ukraine-Krise: "Sechs bis sieben Prozent der EU-Milch standen auf einmal an der Grenze und mussten innerhalb von Europa verteilt werden. Da ist ein unheimlicher Druck auf dem Kessel."

Russland habe bisher pro Jahr allein rund eine Million Tonnen Käse aus EU-Produktion eingeführt - dafür brauche man so viel Milch, "wie die Bayern und Rheinland-Pfälzer produzieren, nämlich zehn Millionen Tonnen", sagt Horper. Und das falle nun weg. Plus Krise in China - es komme einfach zu vieles zusammen.

Noch gebe es im Eifelkreis 700 bis 800 gute Milchvieherzeuger, sagt Michael Horper. "Aber jetzt ist alles in Gefahr. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze bei der Arla, die Schlachthöfe und den gesamten Landhandel - da hängt sehr viel dran." Das Traurige dabei, sagt der Präsident: "In der Regel hören jetzt genau die Betriebe auf, die Gesellschaft und Politik so gerne haben: nämlich die nicht so großen." Apropos Arla: Auch die Marktpartner seien nun gefragt. "Aber da macht die Arla keine gute Figur. Die müssen auch mal den Arsch in der Hose und den Discountern die Kante zeigen" - anstatt sich immer niedrigere Preise diktieren zu lassen.Großdemonstation geplant


Auch der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) lädt zusammen mit Kollegen aus Belgien und Luxemburg alle Erzeuger und Vertreter des Land- und Landmaschinenhandels ein, um die Probleme und Konsequenzen zu diskutieren - und die Bauern dazu zu mobilisieren, an der Großdemonstration des European Milk Board (EMB) in Brüssel am 7. September teilzunehmen.

Termin: Dienstag, 1. September, 20.15 Uhr, im Gasthaus Schweyen in Üttfeld. Der BDM hat ein Konzept entwickelt, mit dem "Krisen gegengesteuert werden" könne und fordert nun von der Politik, das Papier umzusetzen: "In der Krise sollen die Milchmengen auf europäischer Ebene zeitlich befristet gedeckelt werden, damit sich die Milchpreise schneller erholen können und massive Wertschöpfungsverluste verhindert werden", sagt der Landesvorsitzende Kurt Kootz.
Etliche BDM-Bauern sind zurzeit außerdem auf einer Staffelfahrt quer durch Deutschland, die ebenfalls am Dienstag in einer Kundgebung in München enden wird.Meinung

Diesmal dürfen sie
Schimpfen können sie, die Bauern, das wissen wir. Dabei haben sie in den besseren Jahren auch gut verdient. Jetzt aber trifft es sie von allen Seiten, gerade in unserer Region könnte das verheerende Folgen haben. Der Ruf nach "der Politik" ist leider viel zu oft zu hören, diesmal aber kann man ihn den Landwirten nicht verdenken. Und doch: Auch der Kunde kann etwas tun - indem er nicht immer nur nach dem billigsten und oft auf bedenkliche Art produzierten Fraß greift. Gute Lebensmittel kosten mehr. Teuer sind sie nicht. f.linden@volksfreund.deExtra

Derzeit gibt es, nach Schätzung des Bauern- und Winzerverbands, noch etwa 6300 Viehhalter in Rheinland-Pfalz - darunter Halter von Rindern, Schweinen und Legehennen (und etliche, die mehrere Tierarten gleichzeitig züchten). Die Rinderbauern stellen den größten Anteil mit insgesamt 4400 (davon 2100 Milchviehhalter). Es gibt etwa 800 Schweinebauern, 100 Hühnerhalter mit mehr als 1000 Tieren plus viele Klein- und Kleinstbetrieben. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm sind es derzeit noch 1000 Rinderhalter (davon Milchviehbetriebe: gut 700) und etwa 140 Schweinebauern. Im Landkreis Vulkaneifel arbeiten 350 Rinderbauern (Milchvieh: 200) und noch etwa zehn Schweinehalter. Im Kreis Bernkastel-Wittlich sind es 300 Höfe mit Rindern (Milchvieh: 130) und etwa 45 mit Schweinen. In Kreis Trier-Saarburg: 250 Rinderbauern Milchvieh: 110) und 40 Schweinehalter. fpl

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