"Das kann sich keiner leisten"

Der Verband der Nebenerwerbslandwirte kämpft dafür, die Pflichtversicherung von Ehegatten in der Landwirtschaftlichen Alterskasse bei Nebenerwerbsbetrieben abzuschaffen. Eine Unterschriftensammlung soll Druck auf die Politik machen.

 Frank Gierens und Gerhard Gompelmann (von links) wollen erreichen, dass der Pflichtbeitrag von Ehegatten bei Nebenerwerbsbetrieben abgeschafft wird.TV-Fotos: Marcus Hormes

Frank Gierens und Gerhard Gompelmann (von links) wollen erreichen, dass der Pflichtbeitrag von Ehegatten bei Nebenerwerbsbetrieben abgeschafft wird.TV-Fotos: Marcus Hormes

Euscheid/Oberkail. "Rund 60 Prozent der Bauern in Rheinland-Pfalz sind Nebenerwerbs-Landwirte", sagt Gerhard Gompelmann aus Euscheid, Landesvorsitzender des Verbands der Landwirte und Winzer im Nebenerwerb. Das heißt, sie verdienen den größten Teil ihres Einkommens außerhalb ihres Betriebs, führen ihn aber quasi nach Feierabend im Hauptberuf fort. "Diese Bauern leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Strukturen im ländlichen Raum", betont Gompelmann. Finanzielle Belastung für Familien

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Solche kleinen Betriebe nutzten oft nur extensiv zu bewirtschaftende Flächen, die sonst brach lägen. Zudem werde häufig ein sogenannter Altenteiler (Bauer in Rente) durch seinen Betriebsnachfolger noch mitversorgt. Dafür müsse aber auch im Nebenerwerb unter dem Strich ein Verdienst übrig bleiben.All das sieht der Verband stark gefährdet. Seit der Agrarsozialreform 1995 können sich Landwirte, die mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge gezahlt haben, von der Versicherungspflicht bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse befreien lassen, ohne ihre bisherigen Rentenansprüche aus der Alterskasse zu verlieren. Der Ehegatte (in der Regel die Frau des Landwirts) ist jedoch pflichtversichert in der Alterskasse mit 212 Euro Beitrag pro Monat (Stand 2008). Das gilt auch für Nebenerwerbsbetriebe ab einer bestimmten Größe (etwa fünf Hektar), obwohl dort der Netto-Verdienst oft unter 200 Euro pro Monat liegt.Frank Gierens aus Oberkail übernahm 2006 den Betrieb seines Vaters. Er bewirtschaftet 13 Hektar Land, hält neun Mutterkühe und acht Rinder. Hauptberuflich arbeitet der 39-Jährige als Angestellter in Wittlich und zahlt dort Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Er hat sich aus der Alterskasse befreien lassen, seine Ehefrau Petra (37) muss dort jedoch den vollen Beitrag (212 Euro) zahlen. Das Geld fehlt in der Haushaltskasse, wobei drei Kinder im Grundschulalter versorgt werden müssen und die Familie neu gebaut hat. An späterer Auszahlung kann Petra Gierens gerade mal mit rund 12 Euro Rente pro Monat rechnen.Frank Gierens: "Wenn es keine Änderung dieser Beitragspflicht gibt, sehe ich mich gezwungen, den Betrieb auf fünf Hektar zu verkleinern oder mit der Landwirtschaft ganz aufzuhören." Gompelmann pflichtet bei: "Viele würden gerne weitermachen, um die Tradition der Familie fortzuführen und kleine Zusatzeinnahmen zu haben. Aber so kann sich das praktisch keiner mehr leisten. Das Sterben der Betriebe wird unnötig beschleunigt." Mit der aktuellen Unterschriftensammlung unter dem Motto "Alterkasse? Nein danke!" will der Deutsche Bundesverband der Landwirte im Nebenberuf seiner Forderung Nachdruck verleihen. Meinung Auslaufmodell Alterskasse Noch stellt der Verband der Nebenerwerbslandwirte das Landwirtschaftliche Sozialversicherungssystem offiziell nicht grundsätzlich in Frage. Doch das ist längst ein Auslaufmodell. Das Demografie-Problem der gesetzlichen Rentenversicherung schlägt bei den Landwirten in extremer Form durch: Durch den Strukturwandel brechen die Beitragszahler weg. Die Finanzierung der ohnehin dürftigen Auszahlungen steht auf immer wackligeren Füßen. Mit hohen Zuschüssen hält der Bund den Patient am Leben. Sinnvoll wäre ein sauberer Schnitt, nach dem Landwirte als das behandelt werden, was sie sind: Unternehmer. Das heißt, sie können sich selbst um ihre Altersvorsorge kümmern oder sich freiwillig gesetzlich versichern. Bis zu einer solchen großen Reform wollen die Nebenerwerbslandwirte verständlicherweise nicht warten. Der knebelnde Pflichtbeitrag für die Ehefrau lässt viele zweifeln, ob sie sich ihren Feierabend-Job überhaupt noch antun sollen. Es ist an der Zeit, die starre Regelung zu beenden. m.hormes@volksfreund.deEXTRA Ziele des Bauernbunds: Der "Verband der Landwirte und Winzer im Nebenerwerb - Bauernbund Rheinland-Pfalz-Saar" setzt sich ein für die Stärkung familienbäuerlicher Betriebe die Streichung der unterschiedlichen Einkommensgrenzen bei Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete die Herabsetzung der Flächengrenze zur Teilnahme am Programm Agrar-Umwelt-Landschaft von 15 auf zehn Hektar die Absenkung der Beitragszuschussgrenze in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Kontakt: Gerhard Gompelmann, Telefon 06556/93060, www.nebenerwerbslandwirte.de (cus)

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