Das neue Testament

Prüm · Überraschung in Prüm: Die Hansen-Schwestern haben dem Musikverein nun doch kein Geld hinterlassen. Dabei sollte damit das Turmblasen langfristig finanziert werden. Und jetzt?

 Auf Turm und Balkonen: Blechbläsergruppe des Musikvereins Prüm beim jährlichen Adventskonzert. TV-Foto: Archiv/Frank Auffenberg

Auf Turm und Balkonen: Blechbläsergruppe des Musikvereins Prüm beim jährlichen Adventskonzert. TV-Foto: Archiv/Frank Auffenberg

Foto: Frank Auffenberg (aff) ("TV-Upload Auffenberg"

Prüm O weh: Droht das Ende des Turmblasens? Jedes Jahr zum ersten Advent standen bisher die Trompeter und Hornisten des Musikvereins auf einem der Basilikatürme, auf Balkonen und in den Fenstern einiger Häuser am geschmückten Hahnplatz und spielten dieses weithin beliebte, vorweihnachtliche Konzert. Und das seit Prümer Menschengedenken, also seit 1976. Jedes Jahr erklingen dann wundervoll getragene Melodien aus Deutschland und dem Alpenraum. Jedes Jahr sind das bewegende 25 Minuten, für die etliche Zuhörer eine weite Anfahrt unter die Räder nehmen: weil es einfach so schön ist.Die beiden Prümer Schwestern Berta und Marlies Hansen haben das Advents- oder Turmblasen ins Leben gerufen. Sie haben dafür jedes Jahr aus Österreich die Notenblätter der traditionellen Lieder beschafft (das Prümer Konzert ist angelehnt an das Salzburger Turmblasen). Sie haben den Musikverein für das Konzert bezahlt und die Akteure im Anschluss an den Auftritt zum Essen eingeladen. Und sie haben dafür - wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, was sich drumherum abspielt - Regeln aufgestellt. Das hieß: kein Kommerz, kein Trubel, kein Glühwein-Ausschank, kein Gedöns. Außer dem Funkeln der Weihnachtslichter ließen sie absolut nichts durchgehen, was den besinnlichen Moment und die Würde des Ereignisses hätte stören können. Und darin waren sie strikt. Was dann im Jahre des Herrn 2001, als das Prümer Gewerbe ganz vorsichtig einmal das Wort "Weihnachtsmarkt" in den weiten Hallraum des Hahnplatzes hauchte, als man für die Kleinen eine Hüpfburg und für die Großen ein paar Getränkestände montieren wollte, gleich zum Eklat führte. Damals drohten die Hansens, das Ganze für immer und ewig, nunja: abzublasen. Falls es dazu komme, zürnte Marlies Hansen im TV, "dann hole ich dem Musikverein die Noten weg!". Und so wurde nichts aus dem Budenzauber, bis heute. Das alles, inklusive der Finanzierung, sagten die Schwestern außerdem immer, sei auch testamentarisch festgelegt. Und alle haben es den beiden, die ohnehin in ihrem Leben so viel Gutes für andere taten, geglaubt.Nun sind aber Berta und Marlies Hansen 2015 und 2016 gestorben, nachdem sie lange leiden mussten. Und in ihrem Nachlass, das bestätigt Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy, findet sich keine einzige Zeile zum Turmblasen und zur weiteren Finanzierung des Konzerts. Die beiden Wohltäterinnen müssen irgendwann ihren letzten Willen geändert haben. Warum, das weiß niemand.Aber der Prümer Advent ohne das Turmblasen? "Das geht nicht", sagt Mathilde Weinandy. "Das will ich gar nicht zu Ende denken." Und deshalb werde die Stadt nun einspringen und die Musiker hinterher zum Essen einladen. Alles Weitere werde sich gewiss regeln lassen: "Wir kommen über vieles hinweg", sagt die Stadtbürgermeisterin. "Da kommen wir dann auch darüber hinweg."Kein Wort zum Turmblasen im Hansen-Testament - "das ist schon ein Ding", sagt Thomas Rippinger, der Dirigent des Musikvereins. "Da hat man uns jahrzehntelang aufs Brot geschmiert, dass wir finanziell unterstützt werden", sagt er. Und dann das. "Aber vielleicht haben sie es einfach nur vergessen." Noten jedenfalls seien für die kommenden Jahre ausreichend vorhanden, "dafür haben die Hansens schon gesorgt". Zumal er immer wieder auch bekannte Klassiker einstreue - "Tochter Zion", "Macht hoch die Tür", "Wir sagen euch an den lieben Advent" - "die Leute lieben ja auch die Klassiker".Es geht also weiter mit diesem ganz speziellen Prümer Klassiker - auch in diesem Jahr, und zwar am Samstag, 2. Dezember, 20 Uhr.Und danach? Jetzt, wo die Hansens nicht mehr sind und auch ihr Testament keine Regelung für das Konzert enthält - da wären Musikverein, Stadt und Gewerbe ja frei, sich neu Gedanken zu machen. Oder? "Ja", sagt Thomas Rippinger, "aber wenn Sie mich fragen: kein Brimborium." Ähnlich sieht es der Vereinsvorsitzende Jürgen Raskopp: Prinzipiell habe er nichts gegen einen Weihnachtsmarkt auf dem Hahnplatz. "Aber keine Kirmesbuden. Wichtig ist, dass während der 25 Minuten Ruhe ist auf dem Hahnplatz", sagt Raskopp. "Kein Ausschank, kein Krach, nichts."Das findet auch die Bürgermeisterin: "Man kann jetzt mal philosophieren über andere Dinge", sagt Mathilde Weinandy. "Aber ich würde mich auch schlecht fühlen, wenn man das nicht im gleichen Geist fortführen würde. Man muss jetzt gucken, dass man die Kirche im Dorf lässt. Also kein Rummelfest."KommentarMeinung

 Die Bestimmerinnen beim Turmblasen: Marlies (links) und Berta Hansen vor Jahren in der Prümer TV-Redaktion. TV-Foto: Archiv/Fritz-Peter Linden

Die Bestimmerinnen beim Turmblasen: Marlies (links) und Berta Hansen vor Jahren in der Prümer TV-Redaktion. TV-Foto: Archiv/Fritz-Peter Linden

Güte und HärteAch, die Hansen-Schwestern. Sie haben so viel Gutes getan. Und damit meinen wir nicht nur die selbstgebackenen Plätzchen, die sie jeden Advent in der Prümer TV-Redaktion vorbeibrachten. Oder die Jakobspilger, die sie betreuten. Oder die Migrantenkinder, denen sie dabei halfen, dass ihnen hier ein guter Start ins Leben gelingt. Allerdings konnten Berta und Marlies, sowieso katholischer als jeder Papst mindestens seit Petrus, auch knallhart sein. Und der ganzen Stadt mal eben ihre Spielregeln für das jährliche Adventskonzert diktieren. Und jetzt? Steht nichts davon im Testament. Die Abteistädter könnten also das Konzert, gerade auf dem neuen Hahnplatz, ganz anders planen. Dass sie das ohne Zinnober und Kirmesgeklingel machen wollen, spricht für die Prümer. Und für Berta und Marlies Hansen. Denn der Geist der Schwestern, er schwebt noch immer über der Stadt. Ein Segen. f.linden@volksfreund.de

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