Aus dem Archiv (September 2017) Das sind mal Rahmen-Bedingungen

Weinsheim · Dicke Investition: Die neuen Eigentümer des Prüm Türenwerks in Weinsheim wollen 40 Millionen Euro in den Betrieb stecken. Und das nur in den nächsten drei Jahren. Danach soll das Unternehmen auf neuen Flächen weiter wachsen.

 Die tragenden Figuren des Türenwerks: Detlev Schröder (links) und Stefan Burlage. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Die tragenden Figuren des Türenwerks: Detlev Schröder (links) und Stefan Burlage. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

Weinsheim. Man muss sich Peter Meyer als zufriedenen Gemeindechef vorstellen: "Wir haben sozusagen kein Bauland mehr für die Industrie - weil alles weg ist", sagt der Ortsbürgermeister von Weinsheim. Der Grund: Satte vier Hektar Fläche hat das Prüm Türenwerk, 1970 in Weinsheim gegründet, gerade gekauft.

Die Gemeinde plant deshalb schon neue Industrieflächen, um die weiter eingehenden Anfragen bedienen zu können. 2000 Arbeitsplätze bei 1140 Einwohnern, weitere Ansiedlungen in Sicht, die Steuereinnahmen sprudeln: "Warum sollen wir klagen?", sagt Meyer.
Der Grundstücksverkauf ans Türenwerk ist Teil einer Investition, wie sie die Eifel schon lange nicht gesehen hat: 40 Millionen Euro. Und das Geld geht komplett ins bestehende Werk, in Logistik und Technik. Die vier zugekauften Hektar sind für einen geplanten Ausbau des Betriebs vorgesehen.

Wer hat's ersonnen? Die Schweizer: Im Dezember übernahm die Arbonia-Gruppe, ein Gebäudeausrüster aus Arbon im Kanton Thurgau, die ebenfalls eidgenössische Looser AG. Zu der gehörten bis dahin das Türenwerk und die Partner-Unternehmen Garant in Ichtershausen bei Erfurt und der polnische Türenhersteller Invado (siehe Info).
"Wir planen, bis 2020 unseren Umsatz auf 140 Millionen Euro zu steigern", sagt Geschäftsführer Detlev Schröder. Damit würde man eine ohnehin erfreuliche Entwicklung fortsetzen: Allein in den vergangenen zehn Jahren habe man den Umsatz gegenüber 2007 verdoppeln können. Und 250 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt, derzeit sind es 680.
Die Eifeler haben etwa zehn Prozent Marktanteil in Deutschland, zusammen mit Garant sind es mehr als 20 Prozent. Allein in Weinsheim werden jeden Tag 3800 Türen und 3500 Zargen gebaut (weil Zargen nicht so oft getauscht werden wie Türen). Jedes Jahr sind das 850 000 Türen und 780 000 Zargen.

Und das sind nur die aus Weinsheim.
So viele? Ja - etwa acht Millionen Türen werden jedes Jahr bundesweit irgendwo eingepasst - in neue und in sanierte Wohnhäuser. In der Baubranche laufe es gut, sagt Schröder. "Und wir hoffen, dass es so weitergeht".
Die Schweizer haben übrigens die Eifeler nicht einfach verputzt: Schröder und der technische Geschäftsführer Stefan Burlage werden künftig in der Spitze der gesamten Arbonia-Türendivision leitende Funktion haben. "Auch nicht schlecht", sagt Schröder.

Gut für die Arbonia-Gruppe ist unterdessen, dass man mit der Übernahme seine Palette passend ausbauen konnte. Das Unternehmen besitzt mit RWD Schlatter bereits einen Anbieter im Hochpreis-Segment. Die beiden deutschen Zukäufe beliefern die mittlere Preislage, die Kollegen in Polen bedienen den Markt in ihrem Heimatland.
Die 40 Millionen werden ins Werk gesteckt - und in neue Technik: So soll in Prüm auch eine Tür mit sogenannter Null-Fugenkante entstehen, die zugleich die Stoß- und Schlagfestigkeit erhöhe. Allein die Anlagen dafür sollen etwa 18 Millionen kosten, sie würden derzeit, sagt Schröders Assistentin Anne Gillenkirch, mit dem Maschinenhersteller Humag gemeinsam entwickelt. Und mit dieser Wunderkante sei man dann der erste Türenbauer, der so etwas anbietet.

"Die Anlage kann aber noch mehr als nur die Premium-Kanten", sagt Stefan Burlage. Sie fertige auch die bisher üblichen Kanten. Zugleich ersetze sie die heutige Anlage, die bereits 20 Jahre alt sei. Insofern sei das Risiko auch nicht unkalkulierbar.
Gefährlicher sei es da eher, sagt Detlev Schröder, wenn man technisch nicht am Ball bleibe: "Wir müssen investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben."

Zugleich, sagt Stefan Burlage, reagiere man damit auf die Kundenwünsche, die immer individueller würden: "Viele Endkunden möchten ihre Türen veredelt haben. Da wird immer mehr reingefräst und verglast. Das heißt für die Produktion: Wir müssen immer flexibler werden."Extra: UND WAS IST JETZT EINE NULLFUGE?


Also: Die Tür besteht aus dem großen, breiten Blatt und der schmalen Kante an der Stirnseite. Wird sie beschichtet, benutzt man dafür einen Kleber. An der Stelle, wo Blatt und Kante aufeinanderstoßen, verbleibt immer eine kleine Fuge - und der Leim, der zum Aufkleben benutzt wurde, drückt sich dort heraus. Die neue Technik ermöglicht das Aufkleben sozusagen ohne Leim - die Fuge ist praktisch nicht mehr zu sehen.Extra: ZUM UNTERNEHMEN


Das Prüm Türenwerk, 1970 gegründet, war zunächst eine Abteilung der Streif AG und lieferte Türen und Zargen nur für die Weins heimer Fertighausbauer. Beide Unternehmen waren im Besitz der Essener Hochtief AG. Im Jahr 2000 verkaufte Hochtief die Streif AG, behielt aber das Türenwerk. 2004 erfolgte die Übernahme durch die Halder-Gruppe in Frankfurt, bald kam die Thüringer "Garant Türen und Zargen GmbH" dazu. 2007 übernahm die Schweizer Looser Holding die Prüm-Garant-Gruppe und kaufte 2013 den polnischen Türenhersteller Invado. Im Dezember 2016 übernahm wiederum die Schweizer Arbonia-AG die drei Türenhersteller. Der Umsatz allein in Weinsheim, erwirtschaftet von 680 Mitarbeitern, betrug im vorigen Jahr 124 Millionen Euro, eine Steigerung zu 2015 um etwa elf Prozent. Die Eifeler beliefern nur den Fachhandel, keine Baumärkte. Ein kleinerer Teil der Produktion geht nach Belgien, Luxemburg, Tschechien und in die Schweiz.

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