"Der Mensch bleibt auf der Strecke"

BLEIALF/WINTERSPELT. Der Kampf gegen den Ärztemangel weitet sich aus. Die Initiatoren aus der Schneifel wollen die Menschen im gesamten Prümer Land und im Islek mobilisieren. Zum TV-Forum am heutigen Mittwoch um 20 Uhr in Winterspelt wird ein volles Dorfgemeinschaftshaus erwartet.

 Wilhelm Kandels und Veronika Eichten (von links) sind treue Patienten von Dr. Horst Klein (rechts), dem einzigen in Bleialf verbliebenen Hausarzt. Zu seinem Praxis-Team gehören (von links) Theresia Wangen, Klara Igelmund, Auszubildende Sarah Rausch und Horst Kleins Ehefrau Rita Klein-Trösch. Sie versuchen, möglichst viele ehemalige Patienten von Dr. Graf zu übernehmen, doch auf Dauer wäre das nicht zu schaffen. TV-Foto: Marcus Hormes

Wilhelm Kandels und Veronika Eichten (von links) sind treue Patienten von Dr. Horst Klein (rechts), dem einzigen in Bleialf verbliebenen Hausarzt. Zu seinem Praxis-Team gehören (von links) Theresia Wangen, Klara Igelmund, Auszubildende Sarah Rausch und Horst Kleins Ehefrau Rita Klein-Trösch. Sie versuchen, möglichst viele ehemalige Patienten von Dr. Graf zu übernehmen, doch auf Dauer wäre das nicht zu schaffen. TV-Foto: Marcus Hormes

Seit zwei Monaten ist die Praxis von Dr. Jürgen Graf in Bleialf geschlossen - und immer noch kein Nachfolger in Sicht. Für den einzigen verbliebenen Hausarzt Dr. Horst Klein und sein Team bedeutet das eine nochmals erhöhte Arbeitsbelastung bei begrenztem Honorar und finanziellem Risiko. "Viele Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, brauchen sehr teure Medikamente", nennt Klein ein Beispiel dafür, warum das übliche Medikamenten-Budget schnell überschritten ist. Aus dem Graf-Patientenstamm wiederum seien zuerst die Schwerkranken mit hohem Therapiebedarf erschienen.Unterschriften-Listen werden weiter gestreut

Die Folge: Verschreibt der Arzt deutlich mehr als im Durchschnittswert vorgegeben, muss er möglicherweise persönlich dafür haften und kann das Geld nur vor dem Verwaltungsgericht zurückfordern. "Wenn ein Medikamenten-Regress kommt, geht es um eine fünfstellige Summe. Das ist ruinös. Dieses Damoklesschwert hängt immer über uns Ärzten", sagt Klein. "Zudem macht die Summe der Nadelstiche den Beruf des Landarztes besonders unattraktiv." Allein in Bleialf haben bisher weit mehr als 600 Menschen die Forderung unterschrieben, gegen die ärztliche Unterversorgung im ländlichen Raum vorzugehen. Bisher liegen Unterschriftenlisten in der Bleialfer Apotheke und im Bürgerhaus aus. Künftig sollen weitere Listen im Prümer Land und im Islek verteilt werden. Patrick Schnieder, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Arzfeld, hat seine Unterstützung für die Initiative zugesagt. So könnte sich die Protestbewegung ausweiten, zu der sich bisher 17 Ortsbürgermeister aus Gemeinden mit insgesamt 6500 Einwohnern zusammengeschlossen haben (der TV berichtete). Bleialfs Ortsbürgermeisterin Edith Baur wird immer wieder von Bürgern auf die Situation angesprochen. "Es geht vor allem um ältere Menschen, die Hilfe brauchen. Das ist genau die Generation, der wir viel zu verdanken haben", stellt Baur fest. "Viele leben allein und können nicht einfach mit dem Auto zum nächsten Arzt fahren. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist: Der Mensch bleibt auf der Strecke."Ärztin wartet auf Genehmigung

Baur will den Zustand nicht länger hinnehmen: Die Ortsgemeinde unternimmt zusätzlich eigene Anstrengungen, um einen Arzt zu finden und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er sich in Bleialf niederlassen kann. "Auch wenn tatsächlich ein Arzt kommt, machen wir weiter", verspricht Baur. "Es gäbe immer noch Bedarf, zumal auf absehbare Zeit weitere Ärzte im Prümer Land in Ruhestand gehen." Unterdessen wartet die in Hallschlag (Landkreis Vulkaneifel) niedergelassene praktische Ärztin Valentina Deleski immer noch auf eine Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung. Dort hatte sie den Antrag gestellt, wie seinerzeit Dr. Graf eine Zweigpraxis in Roth bei Prüm eröffnen zu können. Bekommt sie die Genehmigung, dann will die Ärztin mittwochs in einem Raum des Rother Gemeindehauses Patienten untersuchen und behandeln. Das wäre eine Erleichterung vor allem für ältere Patienten aus Roth und Umgebung, die häufig nicht mobil sind.

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