Der böse Verdacht: Nach dem Todesfall in Winterspelt vermuten Viele, dass KO-Tropfen dahinter stecken

Winterspelt · Der Tod eines jungen Mannes aus Winterspelt am Karnevalswochenende (der TV berichtete) hat viele Menschen erschüttert. Und nicht nur Ortsbürgermeister Hubert Tautges glaubt, dass es dafür Schuldige gibt.

KO-Tropfen: Sie sind oft das Erste, wovon gemunkelt wird, wenn ein Mensch sich nach einer Feier nicht mehr daran erinnern kann, wie ihm geschah, warum er oder sie plötzlich zusammenklappte, beraubt wurde, wenn ihm oder ihr möglicherweise sogar etwas angetan wurde.

So ähnlich war es auch mit dem jungen Winterspelter, der am Karnevalswochenende tot in seinem Bett gefunden wurde: Nach dem Besuch beim Nachtumzug in Gondenbrett waren ihm plötzlich die Kräfte geschwunden, man brachte ihn nach Hause - und am nächsten Morgen lebte er nicht mehr.

Eine Obduktion drei Tage darauf ergab: Er hatte viel Alkohol im Blut. KO-Tropfen (siehe Extra) sind aber nur bis zu zwölf Stunden nach der Einnahme festzustellen. Und so vermuten viele weiter, dass der 18-Jährige nicht allein am Alkohol gestorben ist. Dass Drogen im Spiel waren, die ihm von jemand anderem verabreicht wurden. Allen voran: Ortsbürgermeister Hubert Tautges, der in einem offenen Brief unbekannte Übeltäter als Verantwortliche für das schreckliche Ereignis ausmachte.

Tautges nahm zugleich die jungen Leute in seinem Dorf in Schutz: "Ich breche eine Lanze für alle Winterspelter Jugendlichen, dass weder Drogen noch übermäßiger Alkoholkonsum eine Rolle spielen", schrieb er. Das Drama sei "einzig und allein auf die kriminellen Machenschaften besagter Ganoven zurückzuführen". Sein Argument: "Mit 1,6 Promille (der Wert, der bei der Obduktion festgestellt worden sei) stirbt man nicht." Tautges erhielt viel Zuspruch: Man schrieb ihm von ähnlichen Fällen, selbst erlebt oder von Bekannten, meist mit dem gleichen Szenario: Gefeiert, wenig getrunken, plötzlich zusammengesackt. Aber, selbst wenn man ins Krankenhaus kam, habe niemand sich damit befasst, dass KO-Tropfen eine Rolle spielen könnten.

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Trier hat neben der Obduktion weitere Untersuchungen eingeleitet, um zu klären, ob andere Substanzen den Tod des 18-Jährigen mitverursacht haben. Noch liegt das Ergebnis nicht vor. Oberstaatsanwalt Peter Fritzen sah sich jedoch aufgrund des großen Medieninteresses dazu gezwungen, als Zwischenstand mitzuteilen, es gebe bislang keine Hinweise auf weitere Drogen.

Das wiederum brachte Tautges und andere in Rage: "Wieso wartet man nicht das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung ab und erspart so den Angehörigen diese Alkohol-Schublade?", fragt der Bürgermeister. Und fügt hinzu: Hätte man Zeugen aus dem Umfeld der am Umzug beteiligten Jugend befragt, dann hätte man begriffen, "dass nicht Alkohol allein ursächlich" für den Tod des jungen Mannes gewesen sei.

Zudem sei es "sehr gefährlich für Patienten mit Erkrankungen, die einem Vollrausch ähneln, medizinische Hilfe zu suchen - man wird sehr schnell als stark alkoholisiert abgestempelt, und lebensrettende Maßnahmen finden keine Anwendung".

Das Schwierige bleibt der Nachweis: Die Zahl der Verdachtsfälle, sagt Joachim Lauer, Erster Hauptkommissar beim Landeskriminalamt (LKA), sei in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. 2012 seien es 65 in Rheinland-Pfalz gewesen. Allerdings: In lediglich neun Fällen sei die Verabreichung von KO-Tropfen nachgewiesen worden. Lauer: "Konkrete und somit belastbare Zahlen zum tatsächlichen Fall-aufkommen liegen nicht vor, da von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist."

Dass die Behörden, so ein weiterer Vorwurf, im aktuellen Fall nicht korrekt ermitteln würden, entbehre "jeglichen Hintergrunds", sagt Uwe Konz, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Trier. "Natürlich gibt es ein Ermittlungsverfahren, gibt es Befragungen. Das ist hanebüchen, was da jetzt ins Kraut schießt. Und das endgültige toxikologische Ergebnis haben wir leider noch nicht. Das dauert sehr, sehr lange."Meinung

Gründliche Arbeit dauert ebenEs ist schrecklich, dass ein junger Mensch ums Leben kam. Und es ist furchtbar, dass vielleicht nicht mehr genau geklärt werden kann, woran er starb: Ob ihm jemand verbotene Substanzen verabreichte oder nicht, dürfte nicht mehr herauszufinden sein - und damit bleibt auch die Kunde von den KO-Tropfen in der Welt. Selbst wenn man in dieser Session wieder sehen musste, wie sich viele Narren zügig in die Besinnungslosigkeit tranken. Es ist zugleich sehr anständig, wie sich ein Ortsbürgermeister vor die jungen Leute in seinem Dorf stellt, anstatt sie, wie andere, pauschal wegen Akoholmissbrauchs zu verdammen. Aber man sollte auf allen Seiten mit Vorwürfen vorsichtig sein - auch gegen die Behörden, gegen die gern und schnell geschossen wird: Sie ermitteln. Das dauert. So muss es sein. CSI ist Fernsehen, das hier ist die Realität. f.linden@volksfreund.deExtra

Die sogenannten KO-Tropfen sind hochgefährlich. Joachim Lauer, Erster Hauptkommissar beim Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz, erläutert gegenüber dem TV, was es damit auf sich hat: Die Tropfen "werden in der Szene auch regelmäßig als ,Flüssiges Ecstasy\\' oder auch ,Liquid Ecstasy\\' bezeichnet. Es handelt sich hierbei in den meisten Fällen um die Substanz Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB)." GHB verlangsame die Aktivität des Gehirns und des zentralen Nervensystems, sagt Lauer. "Seine Wirkung tritt zirka 15 Minuten nach der Einnahme ein und dauert, je nach Dosierung, etwa zwei bis vier Stunden. Das Rauschspektrum reicht von der Steigerung des sexuellen Verlangens und dem Senken der Hemmschwelle bis zu Euphorie, Desorientierung und halluzinogenen Effekten, Schwindelgefühlen und Übelkeit. Bei Überdosierung kann es sogar zu Bewusstlosigkeit mit anschließender Amnesie bis hin zu Atemstillstand, Koma und Tod kommen." fpl

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