Die 1000-Euro-Nacht

Statt einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Raub ist das Verfahren um eine Prümer Nachtbar eingestellt worden. Laut Anklageschrift sollte eine 35-jährige Prostituierte im Juni 2003 misshandelt, bestohlen und um ihren Liebeslohn betrogen worden sein.

Prüm/Bitburg. 20. Juni 2003: Ein Mietwagen-Unternehmen bringt die Prostituierte Michaela N. vom Bahnhof in Jünkerath zu einer Prümer Nachtbar. Damit ist der unstrittige Teil der Anklageschrift weitgehend erschöpft. Die Fortsetzung nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Michaela N. bespricht die Konditionen ihrer Tätigkeit mit der Geschäftsführerin. Sie soll die Hälfte dessen bekommen, was von ihr betreute Gäste an Getränken und Dienstleistungen erwerben. Im konkreten Fall an diesem Abend heißt das: Drei Stunden im Whirlpool, eine Stunde im Zimmer und zwei Flaschen Sekt summieren sich auf fast 1000 Euro, nämlich genau 976 Euro. Als Michaela N. frühmorgens ihren Anteil verlangt, kommt es zum Streit. Der Kellner (35) bricht ihr den kleinen Finger. Mit schweren Schuhen tritt er gegen ihren linken Fuß. Die Geschäftsführerin (48) zerkratzt ihr die Stirn. Eine Bardame (25) reißt ihr eine mit Eigenhaar gewobene Perücke vom Kopf und stiehlt aus der Handtasche 500 Euro. Michaela N. flüchtet auf die Straße und alarmiert die Polizei.Einige Angaben widersprechen sich

"Die Frau hat hysterisch geschrien. Erst auf der Wache hat sie sich dann langsam beruhigt", berichtet ein Polizist vor Gericht. Die Verletzungen sind ärztlich protokolliert.Nach Angaben der drei Angeklagten gab es für die Aufregung jedoch keinen Grund. Es seien keinerlei Vereinbarung über Liebesdienste getroffen und erst recht keine Schläge verteilt worden. N. habe sich unter anderem über den verqualmten Raum beschwert und sei schließlich gegangen.Die Zeugenaussage des inzwischen 35-jährigen Opfers bringt kaum Neues. Als Gedächtnisstütze kramt sie immer wieder einen Zettel hervor, auf dem sie die Geschehnisse der Nacht aus ihrer Sicht festgehalten hat. Einige Angaben bleiben schwammig und widersprüchlich. Die Verteidiger verbeißen sich bei Nachfragen in Details, die Verhandlung scheint festgefahren.Bewegung in die Sache bringt die ehemalige Chefin des nordrhein-westfälischen Party-Clubs, in dem Michaela N. vorher gearbeitet hat. Dort will die 35-jährige aus der Hand der Chefin für drei Tage Gästebetreuung 150 Euro plus 350 Euro Trinkgeld von einem besonders spendablen Gast bekommen haben.Genau das schließt die Club-Chefin aus: "Dieser Stammgast war ein reiner Party-Mensch, der nie mit aufs Zimmer ging. Er hat für sein Geld immer Getränke bestellt und die Mädchen betrunken gemacht." Von 80 Euro Eintritt pro Person seien 20 Euro ans Haus gegangen, der Rest sei unter den Frauen verteilt worden. Michaela N. habe jedoch nicht gearbeitet und deshalb auch gar kein Geld bekommen: "Sie war untragbar, weil sie zu viel Alkohol getrunken und gepöbelt hat. Deshalb habe ich sie nach zwei Tagen entlassen."Nach einer informellen Verständigung regt das Gericht an, das Verfahren einzustellen. "Wir haben in einigen Punkten ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin", sagt Vorsitzender Richter Werner von Schichau über Michaela N. Beim angeklagten Tatbestand des Raubes könne es sich auch um einfachen Diebstahl ("bei Gelegenheit") handeln. Nach Zustimmung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung beschließt das Gericht die Einstellung gegen eine Bußgeldzahlung von jeweils 1000 Euro.EXTRA Während das jüngste Verfahren um die Prümer Nachtbar eingestellt wurde, ist die mitangeklagte Geschäftsführerin in einem anderen Fall rechtskräftig verurteilt worden. Das Amtsgericht Prüm sah es als erwiesen an, dass die 48-Jährige im Juni 2005 eine Frau beschimpft, aus der Bar geworfen und mehrfach getreten hat. Das Urteil vom März 2007: zehn Monate Haft auf Bewährung und 3000 Euro Geldbuße. Noch anhängig beim Landgericht Trier ist die Berufung in einem weiteren Fall von Körperverletzung. Das Amtsgericht Bitburg hatte eine 36-jährige Prümer Bar-Dame zu vier Monaten Haft auf Bewährung, die Geschäftsführerin und den damaligen Kellner (35) jeweils zu 900 Euro Geldbuße verurteilt (der TV berichtete). (cus)

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