Die Flitzerei von Ei zu Ei

Schönecken · Hunderte Zuschauer lassen am kühlen Ostermontag das uralte Brauchtum aufleben. Über den Sieg beim Wettkampf um das Ei entscheidet die bessere Taktik.

 Landest vorne: Raffer Tobias Ullrich.

Landest vorne: Raffer Tobias Ullrich.

Foto: Vladi Nowakowski

Zwei Dinge, die nicht zu ändern sind: erstens das Wetter und zweitens die Schönecker Eierlage, deren Ablauf seit Jahrhunderten immer gleich ist und doch nie langweilig wird. Bei dem Wettkampf zwischen Raffer und Läufer spielt wiederum das oben erwähnte Wetter eine nicht unbeträchtliche Rolle: Wer jemals in einem durchnässten Pagenkostüm rund 7,6 Kilometer gelaufen ist, kann das bestätigen. Sonnenschein und hohe Temperaturen – auch diese Wetterlage soll zu Ostern in der Eifel schon einmal vorgekommen sein – erschweren die Flitzerei von Ei zu Ei und den Lauf nach Seiwerath hin und zurück ebenso. Am Ostermontag herrscht dagegen bestes Eierlagenwetter: Es ist kühl und trocken. Noch am Morgen ließen Dauer- und sogar Schneeregen das Schlimmste befürchten – doch irgendwer dort oben hat ein Einsehen und schiebt bisweilen sogar die Wolken ein Stück beiseite. Vor dem Kanonenböller zum Start des Kräftemessens schreiten der Raffer Tobias Ullrich und der Läufer Marco Schaal die 104 Eier ab, die genau im Abstand von einer Elle (62,5 Zentimeter) auf Sand und Stroh entlang der Von-Hersel-Straße aufgereiht sind. Die Kontrahenten sind fast gleich alt (23 und 24) und haben sich auf den Wettkampf vorbereitet: „Ein- bis zweimal Training in der Woche“, berichtet Läufer Marco Schaal - glaubt aber, dass sein Gegenspieler, der Fußballer ist, die Nase vorn haben könnte. Dann ein Händedruck, der Bruderkuss und los geht es mit der Mutter aller Eierlagen, die zwar erst 1764 erstmals schriftlich erwähnt wurde, jedoch wohl schon „seit Zeugens Gedenken“ durchgeführt wird, wie es in der Urkunde heißt. Während sich Marco Schaal auf den Lauf in das Nachbardorf Seiwerath aufmacht, wo ihm der Bürgermeister des Ortes mittels eines Schriftstückes bestätigt, dass er dort war – und zurück nach Schönecken läuft, beginnt Raffer Tobias Ullrich, die Eier aufzusammeln, um sie an der Startlinie in einen Korb zu legen. Rund 500 Zuschauer drängen sich in der engen, mittelalterlichen Straße und feuern Ullrich lauthals an, der sich im Vorfeld bei seinen Vorgängern der vergangenen Jahre umgehört hatte, was denn wohl die beste Taktik sei. Er beginnt gleich vorne, nimmt die kurzen Wege und hat somit in Windeseile rund 20 Eier im Korb. Erst dann peilt er die langen Strecken an: das letzte Ei liegt 65 Meter vom Korb entfernt, insgesamt seien rund 6800 Meter Strecke zu bewältigen, heißt es von den Mitgliedern der Schönecker Junggesellensodalität, die das uralte Brauchtum jährlich ausrichtet. Ullrich ist schnell. Als ein weiterer Kanonenschuss verkündet, dass der Läufer nun auf dem Weg zurück nach Schönecken sei, hat er bereits 80 Eier im Korb. Nur noch 24 muss er aufheben und abliefern, die Anfeuerungsrufe werden immer lauter, und der Raffer sieht nach etwa 28 Minuten immer noch sehr fit aus. Und es gelingt: Das letzte Ei greift sich Ullrich exakt nach 33 Minuten und 7 Sekunden, Läufer Marco Schaal erreicht die Von-Hersel-Straße erst einige Minuten später. Gewonnen haben dennoch beide: Sie gehen als Raffer und Läufer in die Annalen der Schönecker Junggesellensodalität ein und haben bei der anschließenden Feier das Vergnügen, den Ehrentanz zu bestreiten.

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