"Die Forstverwaltung macht alles verkehrt"

Wenn man Förster Peter Wohlleben zuhört, hat man schnell den Eindruck, dass im Nationalpark so ziemlich alles falsch gemacht wird. Sein Rezept: den Nationalpark Eifel fünf Jahre lang ganz in Ruhe lassen.

 Die Jagd ist mit Ausnahmen im Nationalpark grundsätzlich verboten. Peter Wohlleben schlägt vor, sie fünf Jahre lang ruhen zu lassen. (Foto: Manfred Hilgers)

Die Jagd ist mit Ausnahmen im Nationalpark grundsätzlich verboten. Peter Wohlleben schlägt vor, sie fünf Jahre lang ruhen zu lassen. (Foto: Manfred Hilgers)

Gemünd. 23 Jahre lang war Förster Peter Wohlleben in der Landesforstverwaltung tätig. Er habe festgestellt, dass die klassische Forstwirtschaft die Wälder nicht schütze, sondern ausbeute. Auf Exkursionen im In- und Ausland habe er festgestellt, dass es einige wenige Forstbetriebe gebe, die Ökologie und Ökonomie in Einklang brächten. Vor anderthalb Jahren kündigte er und ging zur Gemeinde Hümmel, bei der er jetzt als Revierförster angestellt ist. Aus Hümmel beobachtet er mit kritischen Augen das Geschehen im Nationalpark. Hier werde immer noch mit Erntemaschinen gearbeitet und Kahlschlag betrieben. Dabei könne die Natur selber dafür sorgen, dass sich der Mischwald zum gewünschten Buchenurwald wandele, sagt Wohlleben. Die Fichte passe in den Eifelwald wie eine "Kokospalme". Diese Taigabaumart könne sich auf natürliche Weise hier gar nicht halten. Anstatt den Borkenkäfer zu bekämpfen, wie es im Nationalpark geschehe, sei es viel sinnvoller, den Fichten mit diesen Tierchen auf natürliche Weise an den Kragen zu gehen. Buchen und Eichen würden sich dann von selbst ausbreiten.Auf dem Kahlschlag, der die Humusqualität um 100 Jahre zurückwerfe, wachse die Buche nur schlecht. Wenn die Fichte, die "Distel des Waldes", aber auf natürliche Weise zurückgehe, könne die Buche sich auch unter dem Sonnenschutz der noch stehenden Fichten ausbreiten. Wenn man schon aktiv eingreife, sei es sinnvoll, nur einzelne Fichten zu entfernen, um den Laubbäumen eine Chance zu geben. Statt aber "scheibchenweise" Fichten zu entfernen, gehe die Forstverwaltung nach Stürmen hin und betreibe wieder nur Kahlschlag. Dabei hätten umgekippte Bäume zusätzlich den Vorteil, dass Rehe sich dort nicht gerne aufhielten, was wiederum sich ausbreitende Laubbäume schütze. Dass man junge Buchen auch noch einzäunen müsse, zeige die "völlige Ohnmacht" der Forstverwaltung.Der größte zusammenhängende Buchenurwald befinde sich im Nordiran, berichtet Peter Wohlleben weiter. Hier lebten Wölfe, Braunbären und Leoparden. Es werde nicht gejagt. Auf einem Quadratkilometer finde man in diesen Urwäldern vielleicht ein Reh. Im Nationalpark dagegen machten mit vielleicht 20 Rehen und fünf bis zehn Hirschen je Quadratkilometer viel zu viele Pflanzenfresser den kleinen Laubbäumen den Garaus. Als für einen Buchenurwald völlig unnatürlich bezeichnet er die Idee, in der Nähe des Klosters Mariawald Wisente anzusiedeln. Die Megaherbivoren-Theorie (große Pflanzenfresser) besage zwar, diese Tiere hätten früher für eine offene Waldlandschaft gesorgt. So hätten aber keine Buchenurwälder entstehen können, behauptet Förster Wohlleben. Der Wisent sei ein Tier der Moore, Flussauen und hätte nie in Buchenurwäldern leben können. Wälder seien nämlich keine Refugien für Rudeltiere. Das im Nationalpark lebende Muffel- und Rotwild ist für Peter Wohlleben völlig fehl am Platze. Bei der deutschen Rasse des Muffelwildes handele es sich im Grunde um asiatische Hausschafe, nicht um Wildtiere. Rotwild solle man ebenfalls ganz entfernen, da diese Steppenart, die auch nicht in einen Urwald gehöre, ein hohes Waldzerstörungspotenzial habe. Die Jagd im Nationalpark ist grundsätzlich verboten. Ausnahmen: wenn der Wildverbiss so stark ist, Wildseuchen bekämpft werden müssen oder im Umland nicht vertretbare Wildschäden auftreten. 2004 sei aus dem Wirtschaftsplan des Forstamtes, der Peter Wohlleben vorliegt, zu entnehmen, dass pro Quadratkilometer im Nationalpark 1,4 Rehe geschossen wurden. 20 müssten es etwa sein, so Wohlleben. Zum anderen mache die teilweise Bejagung das Wild nur scheu, das sich dadurch weiter in die Wälder zurückziehe und für Besucher kaum noch zu sehen sei. Also sollte man verstärkt bejagen? Peter Wohlleben schlägt ein ganz anderes Rezept vor: "Man sollte einmal fünf Jahre lang gar nichts tun. Die Fichte ist irgendwann von selber weg. Dadurch kann man auch noch sparen." Das Wisentprojekt würde Wohlleben ganz abblasen. Fünf Jahre lang könne man ja mal gucken. "Schlimmer kann es ja nicht werden." Der Förster geht davon aus, dass sich die Natur selbst reguliert. Peter Wohlleben: "Die Forstverwaltung macht alles verkehrt. Man sollte der Forstverwaltung die Hände in die Hosentaschen stecken und diese dann zunähen, damit sich die Natur im Nationalpark ungestört entfalten kann."

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