"Die Gelegenheit wird nie wieder kommen"

Auf dem Weg zu einer umfassenden Neugestaltung des gesamten Bahnbereichs sieht die Ortsgemeinde Jünkerath eine große Chance: die Übernahme der Planungskosten durch das Land.

Jünkerath. Seit 2001 arbeitet Jünkerath (knapp 2000 Einwohner) zusammen mit der Deutschen Bahn intensiv an einer Lösung für den zum Teil denkmalgeschützten Bahnhof. 2004 beauftragte der Ortsgemeinderat das Fachbüro "Stadt-Land+Bahn" mit einer umfassenden Studie. Ergebnis (unter anderem): Barrieren erschweren die Nutzung für behinderte und ältere Menschen, Unterführungen sind "in einem katastrophalen baulichen Zustand und optisch völlig inakzeptabel". Daran hat sich bis heute nichts geändert: Aufgeplatzter Verputz, mit Sprühfarbe verschmierte Wände und eindringendes Wasser schrecken Fahrgäste ab.Zur Vermarktung der brach- liegenden Flächen am Bahnhof schloss die Gemeinde im Juni 2006 eine Kooperationsvereinbarung mit der Bahn und der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz. Die entscheidende Planungsvereinbarung zur baulichen Modernisierung trat jedoch bisher nicht in Kraft. Der Grund: Bei Investitionen von rund vier Millionen Euro (ohne Bahnhofsgebäude) sollte die Gemeinde Planungskosten von 340 000 Euro übernehmen. Wegen der Haushaltsdefizite machte die Kommunalaufsicht einen Strich durch diese Rechnung.

Seit Juli 2007 keimt neue Hoffnung (der TV berichtete). Jürgen Hiller, Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium und Direktor der Entwicklungsagentur, sagte bei einem Treffen auf Einladung der Landtagsabgeordneten As trid Schmitt (SPD): "Wenn das Wirtschaftsministerium einsteigt, dann übernehmen wir auf unserer Schiene anteilig die Planungskosten."

Wichtiger Verbindungsweg unter den Gleisen

Für Jünkerath ist diese Nachricht umso wichtiger, weil es beim Problemfall Personenunterführung langsam eng wird. Neben dem direkten Durchgang zu den Gleisen verläuft eine weitere Röhre für Fußgänger unter allen Gleisen durch, die so Bahnhofstraße und Gewerkschaftsstraße verbindet. 2006 hatte die Gemeinde ein Schließen dieser Röhre noch abwenden können durch Übernahme der Verkehrssicherungspflicht und der Beleuchtung. Nach einer erneuten Überprüfung des Bauwerks vor einigen Wochen würde ohne Sanierung mittelfristig eine Schließung drohen.

"Die Unterführung ist eine Lebensader in Jünkerath, die Bestand haben muss", warnte Ortsbürgermeister Rainer Helfen (CDU) in der jüngsten Ratssitzung. "Ohne die infrastrukturellen Verbesserungen wird es am Bahnhof nicht vorangehen."

CDU-Fraktionssprecher Hilmar Klein regte an, die regionale touristische Ebene einzubinden: "Der Bahnhof kann nicht nur Sache der Ortsgemeinde sein. Das ist der Eingang zum Erholungsgebiet Oberes Kylltal und zum Kylltal-Radweg." Die Nutzung der Brachflächen sei wichtig für Neuansiedlungen von Betrieben mit Arbeitsplätzen. "Wir haben die Tür aufgemacht bekommen. Jetzt müssen wir sehen, dass wir schnell durchgehen", forderte Klein.

Johannes Dreimüller (SPD) bekräftigte den Wunsch der Gemeinde, alle Module des Konzepts umzusetzen: "Die Gelegenheit, dass wir solche Zuschüsse erhalten, wird nie mehr kommen." Nach aktuellem Stand geht es mit angegliedertem Gemeindesaal um eine Gesamtinvestition von rund sechs Millionen Euro. In dieser Summe sind originär bahneigene (und von der Bahn zu bezahlende) Posten enthalten, gemeindeeigene Bereiche und Teilprojekte, bei denen sich beide Kostenträger überschneiden.

Erneut einstimmig beschloss der Rat, die Übernahme der Planungskosten beim Innenministerium zu beantragen und dann die Zustimmung von der Kommunalaufsicht einzuholen. Höchste Priorität räumt die Gemeinde der Neugestaltung der Unterführung ein (siehe Extra-Kasten).

Rainer Helfen: "Basis dieses Beschlusses ist die neu vorgestellte Gesamtkonzeption einschließlich der Nutzung des Bahngebäudes beziehungsweise der möglichen Angliederung eines Saals."

EXTRA Zum Gesamtprojekt am Jünkerather Bahnhof gehören unter anderem folgende Einzelmaßnahmen: Erhöhung von Bahnsteigen zum barrierefreien Einstieg und komplette Ausstattung nach den gültigen Standards Bau eines Aufzugs oder von Treppen und Rollstuhl-Rampen, Sanierung beziehungsweise Teil-Rückbau der Unterführungen Bau einer Bike-&-Ride-Anlage, Erweiterung der Park-&-Ride-Anlage und Bau eines Service-Pavillons Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Grünanlagen Modernisierung der technischen Bahnanlagen. Zusätzliche Mosaiksteine sind die Sanierung und Umnutzung des Hauptgebäudes, die Belebung der Bahnhofstraße und die Vermarktung der Brachflächen. (cus)

Meinung

Region drückt die Daumen

Gegenüber Ortsgemeinden wie Arzfeld, Schönecken oder Bleialf, selbst gegenüber Städten wie Prüm und Neuerburg hat Jünkerath einen klaren Standort-Vorteil: den Bahnanschluss. Der viel gescholtene Entwurf des Landesentwicklungsplans adelte den Anschluss an den Rheinland-Pfalz-Takt sogar zum entscheidenden Kriterium für Entwicklungsbefugnisse von Gemeinden. Der Kampf um den langfristigen Fortbestand des Bahnhofs und die Nutzung seiner Potenziale ist richtig und wichtig. Die Abwehr des schleichenden Zerfalls muss dringend in eine Offensive verwandelt werden. Die Chance ist da und der Rat entschlossen, sie zu ergreifen. Welche der einzelnen Maßnahmen auf welche Weise tatsächlich umgesetzt werden, wird ohnehin noch genau geprüft. Dazu gehört auch, trotz der Fördermittel vor Augen die Folgekosten zu berücksichtigen. Hat sich die Bahn jedoch erst einmal zu einem Anfang durchgerungen, dann greift der Abrolleffekt — wie bei einem Zug. Der gesamten Dorfentwicklung von Jünkerath würde das jedenfalls einen gehörigen Schub geben. Und damit würden auch die Anstrengungen belohnt, die ehrenamtlich aktive Bürger beim laufenden Prozess der Dorfmoderation aufwenden. Weil die Bedeutung des Bahnhofs weit über die Gemeindegrenzen hinaus reicht, drücken viele Eifeler Bürger und Unternehmen den Jünkerathern die Daumen. Moralische und politische Unterstützung durch Ortsgemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreise sowie die Tourismus-Vereinigungen sollte in diesem Fall selbstverständlich sein. m.hormes@volksfreund.de

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