Die Tortur beginnt von vorne

Nach nur zwei Monaten hat Dr. Albrecht Brassat seine Praxis in Bleialf wieder geschlossen (der TV berichtete). Während die Kassenärztliche Vereinigung (KV) erst die genaue Sachlage klären will, wächst in der Region die Angst vor der medizinischen Unterversorgung.

Bleialf. Ein weißes Blatt Papier an der Eingangstür bringt die Situation auf den Punkt: "Leider ist unsere Praxis geschlossen!" 15 Ausrufezeichen folgen, aber keine weitere Information. Gründe für seinen Abschied will Dr. Albrecht Brassat auch auf TV-Anfrage nicht nennen. "Offiziell liegt uns dazu nichts vor. Der Arzt ist formal weiter zugelassen", sagt Nicole Giesler von der KV Rheinland-Pfalz. Es habe wohl Probleme mit dem Vermieter der Praxis gegeben: "Wir werden der Sache nachgehen."Tatsächlich hat Brassats Vorgänger Dr. Jürgen Graf den Mietvertrag mit seinem Nachfolger über die Nutzung der Praxisräume im Untergeschoss von Grafs Wohnhaus gekündigt. Auch Graf möchte dazu nicht Stellung nehmen — Rechtsanwälte sind aktiv.Damit bleibt als einziger Hausarzt in Bleialf und etlichen umliegenden Gemeinden Dr. Horst Klein übrig. "Die vielen Patienten im Grenzgebiet sind mit nur einem Arzt unterversorgt, zumal die benachbarten Praxen auch voll belegt sind", stellt Thomas Schulte-Rentrop, Inhaber der Apotheke in Bleialf, fest. So kämen bei einem Arztbesuch je nach Wohnort für Hin- und Rückweg schnell 40 Kilometer zusammen.In der Eifel nicht richtig Fuß gefasst

Bleialfs Ortsbürgermeisterin Edith Baur plant, ihre betroffenen Amtskollegen zusammenzurufen und mit ihnen die neue und damit wieder alte Lage zu beraten. Mit einer Resolution hatten die 16 Ortsbürgermeister schon im Januar auf den Mangel aufmerksam gemacht und Abhilfe gefordert. Unterschriften-Sammlungen und ein prominent besetztes TV-Forum in Winterspelt folgten.Nach acht Monaten Vakanz wechselte auf Vermittlung der KV der 64-jährige Brassat aus Bayern in die Eifel. Nach eigener Aussage suchte er die Nähe zu seinem Haus im Hunsrück. In Bleialf fasste er jedoch nicht richtig Fuß.Als mögliche Praxisräume für neue, jüngere Ärzte verweist Baur auf leer stehende Immobilien der Ortsgemeinde. Thomas Schulte-Rentrop ist sich sicher: "Ein Arzt, der sich hier niederlässt und qualifizierte Arbeit leistet, hat genug zu tun." Meinung Schöner Schein schnell verblasst Seit der Ankündigung vom April, im August komme ein neuer Hausarzt nach Bleialf, herrschte eine trügerische Ruhe. Selbst als sich der laut KV 60-Jährige vor Ort als schon 64-Jähriger herausstellte, hießen ihn die Eifeler herzlich willkommen. Zu groß war die Erleichterung nach der Vakanz. Um so größer ist der Frust nach dem schnellen Abschied, wobei es nicht am Gesundheitssystem lag, sondern an Problemen des Einzelfalls. Gesundheitsministerium, KV, Landesärztekammer und Hausärzteverband setzen in ihrem druckfrischen Konzept unter anderem auf ein Frühwarn-System und eine Image-Kampagne. Doch in der Eifel ist es schon fünf nach zwölf, es droht sogar eine weitere Ausdünnung. Es ist höchste Zeit, dass die finanziellen Anreize für Niederlassungen in faktisch unterversorgten Regionen nicht mehr nur auf dem Papier stehen, sondern in die Tat umgesetzt werden. m.hormes@volksfreund.de

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