Ein Kraut des Südens

WITTLICH. Ein extrem heißer Juli und ein viel zu nasser und kalter August: Für die Tabakernte sieht es schlecht aus. Genaueres kann man jedoch, zumindest im Wittlicher Tal, noch nicht sagen.

Nach den heißen, trockenen Wochen im Juli hatten die deutschen Tabakpflanzer erstmals Ertragseinbußen befürchtet. Mit bis zu 20 Prozent weniger als in normalen Jahren rechnete Jörg Bähr, der Geschäftsführer des Bundesverbandes, Anfang August. Der Regen, der folgte, ließ nicht nur die Landwirtschaft aufatmen - zunächst. Froh mit den Niederschlägen war besonders Tabakpflanzer Carlo Bauer. Er ist einer der beiden letzten Landwirte, die bis heute im Wittlicher Tal die einstmals "Teufelskraut" genannte Pflanze kultivieren. Kaum einer würde in dieser relativ hoch gelegenen Gegend die rosa blühenden Felder vermuten. Drei Gründe überzeugten jedoch die hiesigen Bauern schon vor mindestens 300 Jahren vom Tabak: Das milde Mikroklima des Tales mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 8,7 Grad, die immerhin auch Wein gedeihen lässt, und die günstige Bodenbeschaffenheit. Das sandig-lehmige Rotliegende garantiert beste Brennfähigkeit des Tabaks. Die in der Eifel vorherrschenden familiären Betriebsstrukturen taten ein Übriges. Nachdem im August der Regen eingesetzt hatte, war Carlo Bauer guter Dinge. Niemand, es sei denn der liebe Gott, könne den Ertrag zu diesem frühen Zeitpunkt prophezeien, meinte er. Das Klagelied hielt er für verfrüht: "Die Ernte dauert noch bis Ende Oktober, da kann noch vieles passieren." Das aus detm Süden stammende Nachtschattengewächs könne auch im September noch entscheidende Gewichtszuwächse vollbringen. Diese Ansicht bestätigte Manfred Zelder, Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes: Tabak könne lange mit sehr wenig Wasser auskommen; wenn dann der Regen fällt, weiß er ihn optimal zu verwerten. Inzwischen fürchtet Jörg Bähr das nächste Übel. Was der Juli zu wenig brachte, hatte der August zu viel. Ertragsverluste können selbstverständlich auch durch ein Zuviel an Nässe verursacht werden. Und was speziell das Wittlicher Tal beträfe, in dem man durch die klimatischen Gegebenheiten den Tabak oft erst 14 Tage später ernte als in der Rheinebene: Frühe Nachtfröste im Herbst können die Tabakerträge noch einmal negativ beeinflussen. Wer auf den 100-jährigen Kalender vertraut, darf schon einmal kräftig erschauern. Bereits für die erste Septemberhälfte kündigte der uns Minustemperaturen an. Fragt sich nur, wo.

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