Ein Strohhut als Lebensretter

Der Bericht "Eifeler Notzeiten" von Franz Kelkel im "Prümer Landboten" beschreibt die außergewöhnliche Problemlage in den Jahren 1816/17. Der TV druckt weitere Auszüge.

Winterspelt. Auch im Rinken-Haus zu Winterspelt war guter Rat teuer. Eine ziemlich große Schafherde musste durchgefüttert werden. Der Bauer war im März bereit, die Tiere zur Fütterung abzugeben, wenn er im Sommer auch nur die Hälfte lebend zurückerhielte; aber niemand fand sich zu dem Handel bereit.Der reiche Bauer trieb auch eine Koppel Ochsen in den Schnee. Sollten sie sich ihr Futter selbst suchen, er konnte ihnen keines mehr geben. Einer der Ochsen fand tatsächlich einen Strohhut in einer nahen Lohhecke, der im Vorjahr einen Bienenschwarm vor den Unbilden der Witterung geschützt hatte. Er fraß ihn restlos auf und blieb dadurch am Leben, denn am nächsten Tag wurde der Schnee von starken Regengüssen weggewaschen. Der Rinkenbauer nahm das Tier wieder in seinen Stall und nährte es kümmerlich mit Ginster und Heide. Jetzt waren auch seine Schafe gerettet, da das milde Wetter den ganzen April anhielt. Der andere Ochse war jedoch verendet.Vom Knochengerippe zum wertvollen Zugtier

Man hätte annehmen können, die Tiere wären besser geschlachtet worden. Aber selbst die wohlhabenden Bauern hatten schon so viele Notschlachtungen vorgenommen, dass sie nur noch ein bis zwei Kühe hatten. Auch war von den Knochen nicht mehr viel Fleisch herunterzuschneiden.In Winterspelt-Urb jagte damals der Reutesch-Bauer sein einziges Pferd fort. Ein anderer erbarmte sich des elenden Knochengerippes, das da die Dorfstraße heruntergeschwankt kam, tat es in den Stall und gab ihm noch einige Tage lang eine Handvoll Heu. Auch er behielt durch den plötzlichen Wetterumschlag das Tier am Leben. Als er es wieder etwas aufgepäppelt hatte, besaß er ein wertvolles Zugtier.Sogar aus Alt-Belgien kamen ausgehungerte Menschen in die Schneifel. Sie boten Goldmünzen oder Trauringe für ein Brot, aber nur selten kam ein Geschäft zustande. Die preußische Regierung, die damals eben erst im Rheinland eingerichtet worden war, ließ zwar Lebensmittel im Wert von zwei Millionen Talern verteilen.Kaum Bargeld im Umlauf

Die Lieferungen erreichten aber die abgelegenen Orte kaum. Bares Geld war nur sehr wenig im Umlauf. Erhielt jemand einen Brief, so musste er oft durch das halbe Dorf laufen, um das Porto zusammenzuleihen, das damals noch vom Empfänger zu zahlen war. Die Teuerung und Hungersnot nahm im Sommer 1817 solche Formen an, dass die Regierung eingreifen musste. Man aß Kartoffellaub, Wurzeln und Futterkräuter. Selbst Schnecken und Wolfsfleisch wurden verzehrt. Die hungernden Menschen schleppten verendete Wölfe nach Hause und aßen sie gierig.Josef Görres, der Herausgeber des "Rheinischen Merkur", erwarb sich damals große Verdienste, indem er eine aufwendige Hilfsaktion in die Wege leitete. Vielerorts entstanden in der Folgezeit Hilfsvereinigungen für die Verteilung der von überall eingehenden Spenden, die hauptsächlich aus Brot und Saatgut bestanden. Extra Der vollständige Artikel "Eifeler Notzeiten" von Franz Kelkel steht neben vielen weiteren Beiträgen in der Ausgabe Nummer 95 der Zeitschrift "Der Prümer Landbote". Der Geschichtsverein Prümer Land veröffentlicht den Landboten viermal pro Jahr mit mehr als 70 Seiten und stellt ihn allen Mitgliedern frei Haus zu. Wer Interesse an einem Abo hat, kann sich beim Geschichtsverein unter Telefon 06551/3799 melden. Anfragen auch per E-Mail an geschichtsverein-pruemerland@t-online.de (cus)

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