Erstes Gespräch über den Sozialplan

An der Entscheidung, die Glashütte "Ardagh" in Schleiden (Kreis Euskirchen) zu schließen, sei nicht mehr zu rütteln. Das erfuhren Schleidens Bürgermeister Ralf Hergarten und SPD-Landtagsabgeordnete Liesel Koschorreck im Gespräch mit dem "Ardagh"-Management.

 Ausgeglüht: Zum Ende des Jahres wird die Glashütte in Schleiden-Oberhausen geschlossen. Foto: Hilgers

Ausgeglüht: Zum Ende des Jahres wird die Glashütte in Schleiden-Oberhausen geschlossen. Foto: Hilgers

Schleiden. Ergebnis des einstündigen Gesprächs sei gewesen, dass nun ein angemessener Sozialplan erarbeitet werden soll, so Hergarten. Betriebsratsvorsitzender Heinz Keupgen sagte, man wolle nun zügig verhandeln. Ein erster Termin wurde schon für den heutigen Donnerstag anberaumt. Zwei Vertreter der Personalabteilung kommen dann nach Oberhausen. "Bei dem Gespräch werden die ersten Eckdaten besprochen", so Heinz Keupgen."Die Glashütten-Belegschaft lohnt die Investition. Die Beschäftigten sind so engagiert bei der Sache, strahlen so viel Begeisterung für ihren Beruf und ihren Betrieb aus", beschreibt Liesel Koschorreck, SPD-Landtagsabgeordnete für den Euskirchener Südkreis, ihre Eindrücke. "Umso geschockter bin ich, dass es für das Werk in Schleiden-Oberhausen keine Zukunft mehr geben soll. Es fällt schwer, jungen Menschen Motivation für Schule und Ausbildung zu vermitteln, wenn sie derartige Entwicklungen mitbekommen. Ich bin mir sicher, dass sich die Investition in diese Belegschaft für den ,Ardagh'-Konzern langfristig rechnen würde, auch wenn kurzfristig an anderer Stelle eine bessere Rendite zu erzielen ist."Die Politiker könnten natürlich keine kurzfristigen Lösungen anbieten. Aber vergleiche man die Fälle von Nokia in Bochum, Rapak in Düren und der Glashütte in Schleiden, werde deutlich, dass sich die Politik stärker um die Rahmenbedingungen kümmern müsste. Wenn sich die Schließung nicht mehr abwenden ließe, komme es darauf an, über einen Sozialplan die Qualifikation der Beschäftigten auch für andere Arbeitsfelder zu verbessern.Schleiden hat rund 160 Arbeitsplätze verloren

Liesel Koschorreck: "Schleiden darf mit diesem Problem nicht alleine gelassen werden. Hier ist der Kreis Euskirchen, hier ist die Landesregierung massiv gefordert." Nach der VR-Bank dürfte die Oberhausener Glashütte zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt Schleiden sein. Nachdem der Nationalpark und Vogelsang auf dem touristischen Sektor für Aufschwung sorgen, verlor die Stadt nach dem Wegzug der Belgier Ende 2005 rund 160 Arbeitsplätze: durch die Kündigungen bei der Hirsch AG in Dreiborn 60 und zum Jahreswechsel weitere 110 in Schleiden-Oberhausen. Oberhausen verlor mit dem Fertighaushersteller Kewo schon einen wichtigen Arbeitgeber. Anfang der 1960er Jahre stellte dort schon eine Papierfabrik die Produktion ein, wie sich der pensionierte Schleidener Beigeordnete Alfred Knips erinnert. Wo sich heute der Schleidener Bauhof befindet, arbeitete bis in die 1960er Jahre das Sägewerk Dartenne. Mit der Fesenmeyer-Textilproduktion in der ehemaligen Kreisstadt gab es einen weitere größeren Unternehmer. Knips erinnert sich, dass in der Näherei 30 bis 40 Frauen arbeiteten und "Blaumänner" herstellten. In den 60ern wurde die Näherei mehr und mehr zurückgefahren, bis schließlich bei Fesenmeyer nur noch verkauft wurde.In jüngerer Vergangenheit wanderten Glas Funke und Stahlbau Müller aus der Stadt ins Kaller Gewerbegebiet ab.Argument für Ardagh Glass, die Glashütte in Oberhausen zu übernehmen, sei damals der Standortvorteil gewesen, erinnert sich Knips. Hier wurden Sekt- und Weinflaschen für Deutschland und Frankreich produziert. Nun soll die Produktion nach Germersheim verlagert werden, weil von dort aus die Winzer im Süden schneller zu erreichen sind.Hintergrund Glashütte Schleiden: Durch einen Zufall entstand 1949 die Glashütte. Alfred Knips, der pensionierte ehemalige Schleidener Beigeordnete, erinnert sich: Heinrich Heinz betrieb nach dem Krieg eine Glashütte in Kleintettau an der Zonengrenze. Ein Teil befand sich in der DDR, der andere in der sowjetisch und amerikanisch besetzten Zone. Er wollte das zum Verkauf stehende Mannesmann-Demag-Werk in Jünkerath besichtigen. Doch sein Fahrer verfuhr sich auf der Broicher Höhe und landete in Hellenthal. Dort erklärte man ihnen, sie müssten zurückfahren. In Oberhausen mussten sie halten, weil Hans Steck mit seinem Pferdefuhrwerk die Straße blockierte. Da sah Heinz das Werk der Degussa, die hier Holzdestillation betrieb. Wegen des Geruchs wurde das Werk von den Eifelern "Stinkes" genannt. Heinz sah sich das Werk genauer an und kaufte es schließlich. (bk)

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