Freiheit hängt am Faden

Weil ein spezieller Paragraf im Jugendgerichts-Gesetz zum Tragen kommt, bleibt ein wegen mehrfacher Körperverletzung verurteilter Mann aus dem Prümer Land zunächst auf freiem Fuß. Bei nur einer weiteren Straftat droht der sofortige Gang ins Gefängnis.

Prüm/Bitburg. Bei der Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht Bitburg im Juni sah es für den angeklagten Boris Z. (Name von der Redaktion geändert) noch relativ gut aus (der TV berichtete). Zwar war der 19-Jährige mit einer Jugendfreiheitsstrafe vorbelastet und hatte an Weiberdonnerstag in Prüm wieder einen Menschen misshandelt. Die Chancen auf eine erneute Bewährungs-Gesamtstrafe standen jedoch nicht schlecht, denn seine angebliche Beteiligung an einer Schlägerei an Rosenmontag in Bleialf wies der Angeklagte weit von sich.Zwischenzeitlich wendete sich das Blatt. Eine Mitangeklagte im Bleialfer Fall legte ein Geständnis ab und belastete auch Boris Z., für den es dadurch bei der jüngsten Verhandlung sehr eng wurde.Nach Beratung mit seinem Verteidiger Karl-Josef Theisges rang sich der Angeklagte zu einem vollen Geständnis durch: "Es stimmt alles, was in der Anklageschrift steht."Der junge Mann überraschte mit großen Plänen: Er wolle ein Haus mieten für 600 Euro im Monat und habe über seine Großmutter schon Möbel für 3000 Euro bestellt. Gleichzeitig drückt ihn jedoch ein Schuldenberg. Den Unterhalt für die bei seiner Ex-Freundin lebende Tochter streckt das Jugendamt vor.Alkohol, Aggressionen und Gewalttaten

"Er ist in sehr schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen und das Produkt seiner Eltern", schilderte der Jugendgerichtshelfer die Lage. Verhaltensauffällig schon als Kind, Förderschule, Berufsvorbereitungsjahr: "Er hat immer wieder versucht, die Kurve zu kriegen." Ergebnis seines Alkoholproblems in Verbindung mit Aggressionen seien Gewalttaten. Angesichts der "äußerst ungünstigen Sozialprognose" seien entsprechende Auflagen erforderlich."Zwei Jahre ohne Bewährung", forderte Staatsanwalt Wolfgang Spies. Der Vollzug könne ausgesetzt werden, um die Chance auf eine Veränderung des Lebenswandels zu ermöglichen.Der Verteidiger plädierte auf eine Bewährungsstrafe, hilfsweise auf die Anwendung des Paragrafen 57 Jugendgerichts-Gesetz. Dadurch behält ein Verurteilter zunächst seine Freiheit, kann aber beim Verstoß gegen Auflagen oder bei einer weiteren Straftat per Richterbeschluss kurzfristig hinter Gitter gebracht werden.Das Urteil: zwei Jahre Haft, über die 57er-Regelung ausgesetzt. "Eine Bewährung ist rechtlich nicht zu begründen. Er hat aber die Möglichkeit, sie sich zu verdienen, wenn er die Auflagen erfüllt", sagte Vorsitzender Richter Werner von Schichau. Vorerst bis 31. März muss der Verurteilte Wohnsitzwechsel vorher anzeigen, darf einen Mietvertrag nur mit Zustimmung des Bewährungshelfers abschließen, muss einen Finanzplan aufstellen und einhalten und darf sein Arbeitsverhältnis nicht ohne triftigen Grund kündigen.Verteidigung und Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an.

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