Geh! Aber sei mein Freund …

Niederprüm · Ein großes Fest und ein Theaterstück mit starker Wirkung: Am Niederprümer Vinzenz-von-Paul-Gymnasium haben Schüler, Eltern und Lehrer den 90. Geburtstag ihres Hauses gefeiert. Und mit ihrer Inszenierung "Vinzenz trifft Nathan" rissen die Jugendlichen zwei Mal das Publikum von den Stühlen.

 Langer Schlussapplaus: Die Schüler in Niederprüm zeigten eine tolle Aufführung. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Langer Schlussapplaus: Die Schüler in Niederprüm zeigten eine tolle Aufführung. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

Niederprüm. Sind die Menschen denn alle so verbohrt? Gibt es nichts Gemeinsames, keine Chance, über die Grenzen von Glauben und Überzeugungen hinweg zu einem besseren Miteinander zu finden?
"Die Schale kann nur bitter sein, der Kern ist's sicher nicht … Ich weiß, dass es in allen Ländern gute Menschen gibt." So mutmaßt Nathan, der Weise (Jeremy Hansen) an einer Stelle des Stücks, das die Niederprümer Vinzentiner-Schüler gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und der Trierer Theaterpädagogin Hendrika Ruthenberg entwickelt haben - aus dem Originaltext von Gotthold Ephraim Lessing.
Seit September haben sie daran gearbeitet, wie Lehrerin Mechthild Waxweiler zu Beginn der Aufführung dem Publikum im Pastor-Billig-Haus erklärt. Das Ganze im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs "Trialog der Kulturen", ausgeschrieben von der Quandt-Stiftung (der TV berichtete, siehe Extra). Die Niederprümer messen sich dort mit 21 weiteren Schulen. Zwei Aufführungen hat es am Wochenende gegeben, beide Male waren rund 150 Zuschauer dabei.
Man finde, heißt es bei Lessing weiter, "wohl an jedem Menschen etwas auszusetzen" - und hier wird es dann in Niederprüm ganz aktuell, auch in der Inszenierung.
Der ganze Saal ist Bühne


Denn nicht alles spielt sich auf der Bühne ab: Im Publikum erheben sich einige Schülerinnen und sprechen - als Flüchtlinge, über Flüchtlinge, über Behinderte, über alle, die "anders" sind. So schaffen sie es, den Nathan ins Heute zu holen. Auch durch die Kommentierung aus aktueller Sicht, übernommen von "Vinzenz", den Nikolas Keil darstellt. Unlustig zunächst, will er sich doch gar nicht mit diesem alten Schinken befassen an seinem eigentlich freien Wochenende - aber dann packt es auch ihn.
Von William Shakespeare haben sich die Theatermacher den Puck aus dem Sommernachtstraum geliehen - dargestellt von mehreren Schülern, die auf Inlinern durch die Gänge huschen und sozusagen als rollender Chor die Gefühlslage der Akteure kommentieren.
Auf der Bühne runden Elemente aus dem Schattentheater die ideenreiche Inszenierung in perfekt ergänzender Weise ab. Auch die Musik dazu harmoniert mit dem Geschehen, geboten von einer Streichergruppe unter der Leitung von Thomas Rippinger, der auch die Arrangements verfasste.
Schlüsselszene ist natürlich die Ringparabel - in der Nathan dem Sultan Saladin darlegt, dass Gott keiner der drei großen Religionen Islam, Juden- und Christentum den Vorzug gibt. Kernaussage des Gleichnisses, wie Schulleiter Andreas Ostermann sagt: "Dass es an jedem Einzelnen liegt, sein Plädoyer für Toleranz, Menschlichkeit und Versöhnung in der eigenen Lebenswirklichkeit umzusetzen".
Wie aber sagt der Sultan bei Gotthold Ephraim Lessing? "Ich bin stets ein Freund gewesen von Geschichtchen, gut erzählt." Das gilt auch hier. Kein Wunder, dass der Muslim Saladin am Ende zum Juden Nathan sagt: "Geh! Aber sei mein Freund."
Fazit: Ein großes Geschichtchen, mitreißend dargeboten. Großer Jubel, lang anhaltender Applaus des Publikums, das sich am Ende von seinen Stühlen erhebt. In der kommenden Woche tagt die Wettbewerbs-Jury, einige Tausend Euro sind zu gewinnen - den Niederprümern wäre nach dem inhaltlichen und künstlerischen Erfolg auch der finanzielle sehr zu gönnen.
Extra

 Sieht ganz nach Ringparabel aus: Sultan Saladin (Sophia Weis, links) und Nathan (Jeremy Hansen).

Sieht ganz nach Ringparabel aus: Sultan Saladin (Sophia Weis, links) und Nathan (Jeremy Hansen).

Foto: (e_pruem )

Die Herbert- Quandt-Stiftung(benannt nach dem deutschen Industriellen) schreibt seit 2005 jährlich den Schulwettbewerb "Trialog der Kulturen" aus. Im aktuellen Wettbewerb sind 22 Einrichtungen aus Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland dabei und arbeiten an Ideen für eine bessere Verständigung zwischen Religionen und Kulturen. Dazu erhielt jede Schule 3500 Euro als Startgeld. In der kommenden Woche entscheidet eine Jury, wer vom ausgelobten Preisgeld in Höhe von insgesamt 60 000 Euro einen Anteil "zur nachhaltigen Verankerung des Trialogs an den Schulen" erhalten wird. Die Theater-Aufführungen bildeten den Kern des Schulfests zum 90-jährigen Bestehen des Vinzenz-von-Paul-Gymnasiums Niederprüm mit viel Programm bis in den Sonntagabend. Einen Nachschlag gibt es am Freitag, 4. September: Dann spielen die Bands Jupiter Jones und Elastiq ein Konzert in der Markthalle zugunsten des Gymnasiums. fpl

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