Keine Chance auf Ausgleich

Weil der achtjährige Sohn einer Eifeler Hartz-IV-Empfängerin sechs Wochen im Krankenhaus verbracht hat, wurden staatliche Leistungen für ihn gekürzt. Die Fahrtkosten für Besuche in der Klinik bekommt die Mutter jedoch nicht ersetzt.

Hargarten. Martina Struck aus Hargarten (Verbandsgemeinde Arzfeld) empfindet eine Hartz-IV-Regelung als ungerecht. Nach rund 20 Jahren im Berufsleben ist die 41-jährige gelernte Industriekauffrau seit einem Jahr arbeitslos. Als Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch bekommt sie 345 Euro einschließlich 120,75 Euro für Lebensmittel. Hinzu kommen die Mietkosten einer angemessenen Unterkunft.Zur Versorgung ihres Sohns Nikolaus, für den sie keinen Unterhalt bezieht, gibt der Staat zusätzlich zum Kindergeld normalerweise 207 Euro (Regelleistung für Kinder unter 15 Jahren). Aber: Der Junge weilte nach einer Überweisung vom Hausarzt sechs Wochen lang zur Behandlung in einem Trierer Krankenhaus. Vom Gesetzestext her bedeutet die Versorgung in der Klinik eine "anderweitige Bedarfsdeckung". Deshalb werden von den 207 Euro die 72,45 Euro für Lebensmittel abgezogen. Mutter erwägt Grundsatzklage

Auf den Kosten für die regelmäßigen Besuche bei ihrem Kind bleibt Martina Struck jedoch sitzen. "Eine einfache Fahrt mit dem Bus von Hargarten nach Trier dauert viereinhalb Stunden und kostet 8,36 Euro", hat sie herausgefunden. "Ich versuche, mein Auto zu halten, auch wegen Bewerbungsgesprächen. Das Parken beim Krankenhaus in Trier kostet vier Euro, dazu kommt der Sprit. Es ist traurig, wenn man als Mutter in so einer Situation hängen gelassen wird."Markus Regnery ist stellvertretender Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit Trier und des Eifelkreises Bitburg-Prüm (Arge): "Unser Grundgedanke ist, den Kunden gemäß der gesetzlichen Regelung zu unterstützen. Es gibt allerdings keine rechtliche Grundlage für einen Ausgleich von Mehraufwendungen wie Fahrtkosten zum Besuch eines Kindes im Krankenhaus." Menschlich sei das Problem zu verstehen.Martina Struck weiß, dass es nicht an der Behörde liegt, und erwägt, den Anspruch grundsätzlich klären zu lassen — notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht. Meinung Gesetzeslücke schließen Die Arge Bitburg-Prüm handelt im aktuellen Fall nach Recht und Gesetz. Die Erstattung von Fahrtkosten zum Besuch eines Minderjährigen im Krankenhaus ist schlicht nicht vorgesehen. In der Praxis kann nicht jeder einzelne Ausgabeposten in Gesetzesform gegossen werden. Wenn es jedoch möglich ist, einen Oberbegriff wie "anderweitige Bedarfsdeckung" zu verankern, muss das entsprechend auch bei Mehraufwendungen machbar sein. So gibt es im Steuerrecht zum Beispiel den Begriff der "außergewöhnlichen Belastungen". Was genau bei Hartz IV unter Mehraufwendungen fallen soll, muss der Gesetzgeber im Bund definieren. Bevor wegen veränderter Umstände (zu Recht) Leistungen gekürzt werden, müssen alle Folgen dieser Veränderung berücksichtigt werden. Konkret: Nikolaus Struck wird im Krankenhaus verpflegt, so dass diese Ausgaben zu Hause wegfallen. Doch ein achtjähriges Kind braucht auch seine Mutter, die deshalb irgendwie nach Trier kommen muss. Die Lücke im Gesetz muss schleunigst geschlossen werden. m.hormes@volksfreund.de

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