Kleiner Fehler mit fataler Wirkung: Amtsgericht Prüm verurteilt 19-jährigen Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung

Prüm · Ein 79-jähriger Passant ist bei einem Unfall im August 2014 im Oberen Kylltal ums Leben gekommen. Der heute 19-jährige Unfallverursacher musste sich nun vor dem Prümer Amtsgericht verantworten.

Prüm. Ein winziger Moment, eine schnelle Entscheidung - im Straßenverkehr müssen Autofahrer täglich auf Situationen reagieren, die keine Zeit zum Nachdenken zulassen. "Jeder Fahrer begeht Fehler und weiß, dass sie meist gut ausgehen, dieser nicht", sagt Jan Keppel, Richter am Amtsgericht Prüm. Auf der Anklagebank vor ihm sitzt Martin P. (Name von der Redaktion geändert). Dem 19-Jährigen wird vorgeworfen, fahrlässig bei einem Autounfall im Oberen Kylltal den Tod eines 79 Jahre alten Mannes verschuldet zu haben.Suche nach dem rechten Maß


"Hier im Saal sitzt eine Schicksalsgemeinschaft", eröffnet Richter Keppel die Verhandlung, blickt zuerst den Beschuldigten an, dann die Witwe des tödlich Verletzten. Als Nebenklägerin hat sie sich dem Verfahren angeschlossen. Im Grunde sei die Situation nur zum Heulen, sagt Keppel, das Gericht habe aber die Aufgabe, den genauen Hergang des Unfalls nachzuvollziehen und im Falle der Schuld eine Strafe abzuwägen: "Das ist wichtig für die Nebenklägerin, die einen großen Verlust beklagt."
Gleichzeitig stehe man aber auch vor einem Angeklagten, der sein Leben lang damit umgehen müsse, einen Unfall mit Todesfolge verursacht zu haben. "Es wird schwer, den richtigen Ton zu treffen, die richtige Strafe zu finden."
An einem Samstagmorgen im August 2014 fährt Martin P. mit einem Freund auf eine rechtwinklige Linkskurve zu. Es regnet stark - sehr stark. "Plötzlich sah ich am Straßenrand eine Person. Sie machte den Eindruck, über die Straße gehen zu wollen. Ich bremste panisch, der Wagen fuhr auf den Bürgersteig und dann gegen die Laterne", beschreibt der Unfallfahrer das Geschehen.
Wann er den 79-Jährigen mit dem Wagen erfasst habe, daran erinnere er sich nicht mehr: "Ich weiß es einfach nicht, es ging alles viel zu schnell." Seine Hände zittern. Er schaut zur Witwe hinüber. Wie häufig in der Verhandlung, erwidert sie ernst seinen Blick.
Der junge Mann reibt sich die Augen, fährt fort: "Wir sind ausgestiegen, sahen etwas entfernt den Mann liegen. Ich erkannte noch nicht, wer es war. Erst nach dem Ruf des Krankenwagens, als wir uns um ihn kümmerten." Laut Bericht der Polizei war das Rote Kreuz in fünf Minuten vor Ort. Der 79-Jährige wurde ins Krankenhaus Daun gebracht, wo er am Nachmittag an seinen Verletzungen starb.
Noch am Tag des Unfalls besuchte Martin P. die Frau des Mannes. Man habe sich gegenseitig umarmt. Nach dem Besuch habe er sich erst mal etwas zurückgezogen. Seit dem Unglück leide er unter Schlafstörungen, habe mehrfach die Dauner Lebensberatung zurate gezogen.
Er hat den Unfall verursacht - so viel steht fest -, doch wie schwer wiegt die Schuld des Fahranfängers, der zum Zeitpunkt des Unglücks 18 Jahre alt war? Ein Gutachten, das sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob der Wagen zu schnell durch die Kurve gefahren sein könnte, gibt dazu kaum Aufklärung. "Computerberechnungen zeigen, dass der Wagen mit etwa 30 Kilometern die Stunde gegen die Laterne fuhr", erklärt der Richter.Mehr Mumm als die meisten


Ob Martin P. das zulässige Tempo von 50 Kilometern die Stunde überschritten hatte, sei nicht nachweisbar: Die Berechnungen des Gutachtens gingen davon aus, dass auf der nassen Fahrbahn in der Kurve bei 37 Kilometern die Stunde mit einem Verlust der Fahrkontrolle zu rechnen gewesen sei. Laut Aussage des Beifahrers sei der junge Mann aber definitiv kein Raser.
"Als Fahranfänger hat er in einer brenzligen Situation versagt. Hat er das Lenkrad verrissen oder falsch gebremst? Es ist nicht zu klären", sagt Keppel.
Martin P. habe aber einen Fehler begangen und somit ein Quäntchen Schuld auf sich geladen, das schlimmste Folgen nach sich gezogen habe. "Doch wie soll man das bestrafen?", fragt der Richter und beschließt in seinem Urteil, dass der 19-Jährige der fahrlässigen Tötung zwar schuldig sei, eine härtere Strafe als 60 Sozialstunden aber nicht zu rechtfertigen. Auch weil er sich nach dem Unfall vorbildlich verhalten habe: "Er machte im Auto einen Fehler, danach aber alles richtig. Er rief den Krankenwagen, kümmerte sich um den Verletzten, versuchte noch vor Ort, die Frau des Verletzten zu erreichen und hatte dann noch den Mumm, am selben Tag zu ihr zu gehen."
Seitdem er am Amtsgericht Prüm sei, habe er zehn ähnliche Fälle gehabt: "Aber keiner der Fahrer verhielt sich so. Er ist mutiger als mancher Erwachsene. Es bleibt aber der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Mehr ist nicht zu sagen."

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