"Kranke fühlen sich im Stich gelassen"

BLEIALF. Bei einem Krisengipfel in Bleialf haben Politiker und Mediziner über Ursachen des Ärztemangels und Lösungsansätze diskutiert. Mögliche Nachfolger von Dr. Jürgen Graf sollen mit dem Hinweis auf einen sicheren Patientenstamm, eine schöne Landschaft und eventuelle finanzielle Zulagen überzeugt werden.

 Willkommen in Bleialf: Ortsbürgermeister, Landtagsabgeordnete, Behördenvertreter, Ärzte und Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung hoffen darauf, bald einen neuen Hausarzt in der Schneifel begrüßen zu können. TV-Foto: Marcus Hormes

Willkommen in Bleialf: Ortsbürgermeister, Landtagsabgeordnete, Behördenvertreter, Ärzte und Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung hoffen darauf, bald einen neuen Hausarzt in der Schneifel begrüßen zu können. TV-Foto: Marcus Hormes

Mehr als zwei Stunden dauerte das jüngste Krisengespräch zum Thema Ärztemangel im Bürgerhaus Bleialf. Wie drei Wochen zuvor (der TV berichtete) hatte Bleialfs Ortsbürgermeisterin Edith Baur 16 Amtskollegen aus Nachbargemeinden eingeladen. Von Lützkampen bis Auw, von Winterspelt bis Sellerich reichte bisher das Einzugsgebiet der beiden Bleialfer Hausärzte. Seit Dr. Jürgen Graf in Ruhestand ist, sieht sich der schon zuvor voll ausgelastete Dr. Horst Klein einem Ansturm von Patienten ausgesetzt. Andere müssen weite Anfahrten zu Ärzten in Pronsfeld oder Prüm in Kauf nehmen, wodurch auf diese Ärzte wiederum weite Fahrten bei Hausbesuchen zukommen."Irrsinnige Verwaltung kostet irrsinniges Geld"

"Es geht zuerst um kranke Menschen, die sich im Stich gelassen fühlen", stellte Baur fest. Als Gründe für die Aufgabe seiner Praxis nannte Graf neben seinem Alter von 65 Jahren die "Entwürdigung des Berufs durch die Bürokratie, die das Ziel hat, uns zu kontrollieren und zu steuern". Es gebe offenbar keinen Willen, Ärzte gerecht zu bezahlen. Dabei sieht Graf durchaus Einsparmöglichkeiten im Gesundheitssystem: "Die irrsinnige Verwaltung kostet irrsinniges Geld." "Ab einer bestimmten Patientenzahl gibt es pro Patient weniger Arzthonorar. So ist kein planbares Geld zu verdienen", erklärte Horst Klein, der erst nach Verhandlungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) mit den Krankenkassen die schriftliche Zusage einer befristeten Sonderregelung bekam. Ein spezieller Nachteil für Landärzte sei die Hausbesuch-Pauschale für alle Orte ab einer Entfernung von fünf Kilometern: "Nach Daleiden fahre ich zum Beispiel hin und zurück 60 Kilometer." Zudem gingen in Trier viele Patienten direkt zum Facharzt, während sie auf dem Land eher den Hausarzt vor Ort aufsuchten und dessen Budget belasteten. Verschreibe ein Arzt - etwa aufgrund der teuren Behandlung von chronisch Kranken oder Krebspatienten - deutlich mehr als den üblichen Durchschnittswert pro Patient, müsse der Arzt unter Umständen draufzahlen. Auch diese persönliche Haftung schrecke Kandidaten ab. Landtagsabgeordneter Michael Billen (CDU) äußerte Verständnis für die Klagen der Ärzte, "weil ich Abrechnungen gesehen habe". Immerhin sei ab 2009 eine Bezahlung nach festen Euro-Sätzen statt nach einem komplizierten Punktsystem vorgesehen. Politik und KV könnten keinen Arzt zwingen, sich in Bleialf niederzulassen. Mediziner müssten mit Argumenten überzeugt werden wie der schönen Eifel, guten Schulen und schnell erreichbaren Großstädten.Zentrale Rufnummern für Bereitschaftsdienst

"Es gibt hier sehr viele nette Menschen, die den Arzt brauchen", betonte Landtagsabgeordnete Monika Fink (SPD). Sie schlug vor, bei der Arztsuche an gebürtige Eifeler zu appellieren: "Am liebsten kommen diejenigen zurück, deren Herz für die Heimat schlägt." KV-Ressortleiter Josef Henrich verwies auf die Bestrebungen seiner Organisation: "In den Beratungsgesprächen versuchen wir die Ärzte für Bleialf zu begeistern, weil es hier gute Chancen für sie gibt." Nachbesetzungen von Praxen gelängen leider oft nur zeitversetzt. Das System der Nacht- und Wochenend-Dienste werde durch zentrale Rufnummern mit automatischer Weiterverbindung verbessert. Bei größeren Bezirken hätte der Einzelne seltener Dienst. Laut Statistik gibt es im Eifelkreis Bitburg-Prüm keine Unterversorgung mit Ärzten. Werde jedoch in einem kleineren Bereich um Bleialf eine Unterversorgung festgestellt, seien theoretisch Umschichtungen im Honorar-Gesamtetat zu Gunsten der Ärzte vor Ort möglich, deutete Henrich an. Der Prümer Sozialamtsleiter Peter Hillen sagte Unterstützung durch die Verbandsgemeinde-Verwaltung und Bürgermeister Aloysius Söhngen zu. Der Trierische Volksfreund organisiert ein Forum zum Thema Ärztemangel am Mittwoch, 28. Februar, um 20 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Winterspelt.

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