Rote Karte vom Richter

TRIER/PRÜM. Mit der Aussage weiterer Zeugen ist vor dem Trierer Landgericht der Nötigungsprozess gegen einen 52-jährigen Arzt aus dem Altkreis Prüm fortgesetzt worden. Es war so turbulent, wie an den vier vorausgegangenen Prozesstagen. Nächste Woche fällt das Urteil.

Peter Egnolff ist nicht zu beneiden. Der Vorsitzende Richter am Trierer Landgericht muss sich im Berufungsprozess gegen einen wegen sexueller Nötigung angeklagten Arzt ein ums andere Mal vorkommen wie der Aufseher einer Rasselbande, die ohne Ordnungsrufe und Strafandrohungen nicht zu bändigen ist. Mit fast schon stoischer Gelassenheit erträgt der Jurist die verbalen Eskapaden einiger Anwesender, die mühelos den auf Krawall und Spektakel ausgelegten nachmittäglichen Gerichtssendungen Konkurrenz machen könnten. Nur einmal platzt dem Richter am Freitag endgültig der Kragen, nachdem er zuvor bereits ein gutes dutzend gelbe Karten gezeigt hat: Als die Tochter des Angeklagten die Anwältin der Nebenklägerin anschreit und wüst beschimpft, schmeißt Egnolff die junge Dame wegen Ruhestörung raus. Dabei ist schon ihr Zeugenauftritt zuvor alles andere als "ladylike". Weil die Arzttochter mehrfach anfängt zu schreien, dabei wild mit den Armen gestikuliert und Staatsanwältin Daniela Schnur sowie die psychologische Sachverständige attackiert, ruft der Richter sie mehrfach zur Ordnung, droht sogar mit Ordnungsgeld, wenn sich die Studentin nicht mäßige. Dabei ist sie aus Sicht ihres Vaters, dem wegen unsittlichen Berührens einer Patientin angeklagten Arzt, eine wichtige Zeugin. Am mutmaßlichen Tattag, einem Samstag im Oktober 2002, soll die damals kurz vor dem Abi stehende junge Frau nämlich nach eigenen Angaben den ganzen Tag in der Praxis gewesen sein."Zeugen, die vom Himmel fallen"

Das ist deshalb von Bedeutung, weil nach Polizeirecherchen an diesem Nachmittag am Computer des Vaters ständig gearbeitet wurde. Der aber will zu diesem Zeitpunkt mit seiner Frau beim Pfarrer von Waxweiler, Hubert Colling, zu Besuch gewesen sein, was der katholische Geistliche in einem denkwürdigen Auftritt vor Gericht auch bestätigte (der TV berichtete mehrfach). Staatsanwältin Daniela Schnur macht aus ihrer Skepsis keinen Hehl: "Schon interessant, wie hier die Zeugen je nach Beweislage vom Himmel fallen", blafft die Juristin in Richtung des vis-a-vis sitzenden Arzt-Verteidigers Paul Greinert. Der Trierer Rechtsanwalt, ohnehin nicht gerade dafür bekannt, auf den Mund gefallen zu sein, revanchiert sich wenig später. "Stören Sie mich nicht, beanstanden Sie", kommentiert Greinert einen Zwischenruf der Staatsanwältin. Doch auch an anderen "Fronten" im Saal 54 des Landgerichts geht's hoch her an diesem Tag. Richter Peter Egnolff ermahnt gleich mehrere Zuhörer, den einen, weil er ständig lacht, den anderen wegen seiner Mimik. Die für einen Prozess ungewöhnlich aufgeheizte Stimmung mag ein wenig am schwülen Wetter liegen, wahrscheinlich aber auch an der Tatsache, dass es für den Arzt, der derzeit nicht mehr praktizieren darf, um seine berufliche Existenz geht. Die Sachverständige Claudia Greve, die sich einen ganzen Tag lang mit dem mutmaßlichen Nötigungsopfer unterhalten hat, bescheinigt der Frau kurz vor Ende der Sitzung, ihre Aussagen seien glaubhaft. Der Prozess wird am Mittwochmorgen fortgesetzt. An diesem sechsten Verhandlungstag soll auch das Urteil fallen. Zwei Tage nach dem letzten Prozesstag wurde der Waxweiler Pfarrer übrigens ins Krankenhaus gebracht. Es sei ein Schwächeanfall gewesen, dem Geistliche gehe es mittlerweile wieder besser, verlautete gestern aus Kirchenkreisen.

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