Was Berlin und Dresden können, kann Büdesheim schon lange

Büdesheim · Die Geschichte des Heiligenhäuschens zwischen Büdesheim und Weißenseifen ist bewegt. Eine Informationstafel berichtet jetzt vom Ursprung der Kapelle, ihrer Zerstörung und dem Wiederaufbau in den 1990er Jahren.

 Engagierte Kapellenfreunde nach getaner Arbeit: Manfred Böttcher (links), Helmut Niesen , Albert Klasen, Gottfried Mies, Agnes Mies, Margret Niesen und Udo Schikora. Foto: Udo Schikora

Engagierte Kapellenfreunde nach getaner Arbeit: Manfred Böttcher (links), Helmut Niesen , Albert Klasen, Gottfried Mies, Agnes Mies, Margret Niesen und Udo Schikora. Foto: Udo Schikora

Foto: Frank Auffenberg (aff) ("TV-Upload Auffenberg"

Büdesheim. Hoch ragt die mächtige Linde auf dem Pilgerweg nach Weißenseifen auf. In ihrem Schatten ruht eine winzige, idyllische Kapelle und lädt Wanderer zum Innehalten ein. Ein altehrwürdiges Gemäuer? Irgendwie schon, aber andererseits auch nicht. Die Geschichte des "Hellijenheisjen" - wie der Büdesheimer Volksmund das Haus nennt - ist verzwickt. Eine neue Informationstafel berichtet nun von der Historie der malerischen Anlage.
Der Verein der "Freunde der Pilgerkapelle - Heiligenhäuschen Büdesheim" hat das Schild jüngst aufstellen lassen. "So kann jeder Besucher, schon bevor er die Kapelle betritt, sich informieren", sagt der Erste Vorsitzende des Vereins, Udo Schikora.
Erste Erwähnung vor 200 Jahren


Vermutlich stand genau an derselben Stelle schon einmal ein Heiligenhäuschen. "Leider ist nicht mehr festzustellen, wann die erste Kapelle in Büdesheim gebaut worden ist", sagt Schikora. Man gehe aber davon aus, dass nach dem 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) aus Dank dafür, dass Büdesheim vor großen Zerstörungen und Plünderungen bewahrt wurde, die ursprüngliche Kapelle an dieser Stelle errichtet wurde.
Erstmals erwähnt wurde sie 1809 auf der unter französischer Besatzung erstellten "Tranchot-Müffling-Karte". In welchem Zustand die Kapelle sich zum Zeitpunkt der ersten schriftlichen Erwähnung befand, ist allerdings ungewiss. Bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts war das Haus nämlich fast komplett verfallen. Nur noch Fundamente und Teile des Fußbodens blieben bis dahin erhalten. Die letzten Steine verwitterten schließlich und verschwanden unter Erdreich und Vegetation. Erst um 1992 herum habe der damalige Ortsbürgermeister Michel Zierden genaue Nachforschungen angeregt.
Schikora: "Bei Ausgrabungen fand man Überreste dieser Kapelle. 1993 wurde sie unter der Linde neu gebaut." In Eigenleistung ließen die Büdesheimer das Gotteshaus neu erstehen: nach altem Vorbild, auf wiedererschlossenem Grund. Die Fundamente und verbliebenen Fußbodenreste wurden dabei erhalten. Vermutlich stammen sie übrigens aus einem noch deutlich älteren Gebäude. "Steine für diese Kapelle - die Dorfbevölkerung war sehr arm - wurden zum Teil von einem Landsitz geholt, den eine römische Familie um 400 nach Christus wegen der vordringenden Germanen verlassen musste", teilt die Informationstafel mit. Geweiht wurde der "alte" Neubau der Gottesmutter Maria; gewidmet ist er dem Gedenken der heimischen Gefallenen und Getöteten der Kriege.
Mit dem Wiederaufbau des "Hellijenheisjens" nahm Büdesheim schon vor 28 Jahren einen Trend vorweg, der mittlerweile in ganz Deutschland zu beobachten ist - der Rekonstruktion liebgewonnener, aber zerstörter Gebäude. Was Berlin mit dem noch unfertigen Stadtschloss oder Dresden mit seiner Frauenkirche kann, kann Büdesheim also schon deutlich länger. aff
Extra

Kann ein Gebäude alt und gleichzeitig neu sein? Ja, das geht. Zwar ist das dann ein bisschen gefuscht, aber den Leuten, die ein zerstörtes Gebäude ganz doll vermisst haben, ist das egal. Habt ihr zum Beispiel schon einmal von der Dresdner Frauenkirche gehört? Diese weltweit bekannte Kirche wurde vor fast 300 Jahren an der Elbe gebaut, nach schweren Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg stürzte sie aber in sich zusammen. Fast 50 Jahre lagen die Trümmer als Erinnerung an den Krieg mitten in der Dresdner Innenstadt. 1994 beschloss man aber, die Kirche als Zeichen der Versöhnung und als Symbol für den Frieden wieder aufzubauen. Zehn Jahre hat das gedauert. Archäologen und Architekten arbeiteten eng zusammen: Alte Steine kamen an ihre alten Plätze, neue sorgen jetzt dafür, dass die Kirche, obwohl sie einst kaputt war, wieder stehen bleibt. aff

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort