"Wir haben großen Bedarf an Humor": Ein Gespräch mit dem Kabarettisten Gerhard Polt

Daun · Lachen schützt vor Demagogen: Gerhard Polt und die Well-Brüder gastieren am Montag bei den Eifel-Kulturtagen im Forum Daun. Der TV hat vorher mit dem großen Kabarettisten gesprochen.

"Ich weiß auch nicht weiter", sagt Gerhard Polt. "Ich weiß es nicht." Irgendwie sind wir ganz schnell beim aktuellen Zustand der Welt gelandet, bei den Politikern, die ihn herbeigeführt haben. Und bei der grassierenden Aufgeregtheit allerorts. Woher die komme, das verstehe er auch nicht: "Wir haben keinen verlorenen Krieg, die Häuser sind nicht in Ruinen, die Autobahnen brummen. Woher kommt dann dieses Gefühl?"

Schwierige Zeiten. Und kein Fortschritt in der Politik. "Eher Stillstand", sagt der 74-Jährige, der in gut zwei Wochen runden Geburtstag feiert. "Wenn man Optimismus schöpfen will, dann ist man gut beraten, wenn man in den kulturellen Bereich blickt."

Blicken wir auf Gerhard Polt: Sobald der Name des großen Kabarettisten, Schriftstellers und Schauspielers fällt, sind sie gleich da - all die Figuren, die er im Fernsehen ("Fast wia im richtigen Leben"), im Kino ("Man spricht Deutsh") und auf der Bühne ("Ekzem Homo") gezeichnet hat. Ihre Stimmen, das Polt'sche "hehe", aus dem die Niedertracht so ungemein fröhlich herauskeckert. All die Typen, bei denen man weiß: Die sind nur einen Millimeter neben die Wirklichkeit gesetzt. Wenn es überhaupt ein ganzer Millimeter ist.

Ja, der Mensch sei eben auch ein Klangkörper, sagt er - ein Wort, das ihm gefällt. Oder "Person", das komme ja vom Lateinischen "personare" , durchklingen. Und manchmal, wenn einer nicht aufpasse, dann klinge sie eben durch, die Bösartigkeit. Und wo das ungewollt passiert, wo der Mensch sich plötzlich in einem Nebensatz entlarvt - da ist der Punkt, an dem die Polt-Figuren beginnen. "Mich interessieren Menschen, die nicht von Haus aus böse sind", sagt er. Nicht die Gierigen, die Arglistigen, sondern jene, die ganz unbedarft und in aller Einfalt "manchmal etwas Ungeheuerliches sagen. Und es nicht reflektieren."

Wie jener Bekannte, der einmal auf einer Bank gesessen und beglückt in die Gegend geschaut habe: "Er sitzt da, schaut in die Landschaft, über die Wiesen, die Kühe stehen im Saft - und er sagt: ,Ist es nicht schön bei uns? Da kann man sagen, was man will, da passt doch ein Neger nicht herein.'" Und der Mann habe das tatsächlich "rein farblich" gemeint. "Das hat was Komisches", sagt Polt. "Weil er keineswegs ein bösartiger Mensch ist. Und diese Figuren, die reizen mich mehr als die schnell Erkennbaren, die man leicht karikieren kann."

Humoristen würden oft gefragt, ob sie die Welt verändern wollten. "Ich sag immer: ja." Denn seine Welt sei von Humoristen verändert worden, von Wilhelm Busch oder von Karl Valentin: "Weil ich dadurch eine andere Perspektive bekommen habe." Es sei wie beim Märchen von des Kaisers neuen Kleidern - "wenn es dir gelingt, diese Lächerlichkeit auszumachen. Wenn der Humorist dieses Kind wäre - das wäre toll." Wobei er gleich hinzufügt, dass das Kind, dem die Nacktheit des Kaisers auffiel, vermutlich hinterher ein paar Ohrfeigen dafür kassiert habe.

Apropos Ohrfeigen: Als er damals mit Dieter Hildebrandt im "Scheibenwischer" den Main-Donaukanal auf die Schippe nahm, als der Bayerische Rundfunk sich aus der Sendung ausklinkte und es Protest hagelte: Das war doch auch so eine Ohrfeige, nicht wahr? Oder war er damals stolz darauf? Ach nein, sagt Polt, "das ist nichts, was man sich irgendwo hinheftet". Viel schöner sei es gewesen festzustellen, dass man da wohl einen Nerv getroffen habe. Dieser Aha-Effekt, der habe ihn gefreut.

Und in Daun? Da wird es, das machen sie immer so, anfangs eine kleine "Hommage an die Region" geben, wie Michael Well es nennt: Ein aktuelles Thema, das man aufgreifen und in ein Gstanzl, einen traditionellen bayrischen Schmähgesang umwandeln werde. Die Well-Brüder "reimen das an Ort und Stelle", sagt Polt. Und auch das weitere Programm sei nicht in Beton gegossen: "Wir können in der Pause sagen: Wir machen jetzt das und das. Es sind einfach vier Stühle und vier Leute", der Rest werde sich ergeben. "Und das ist auch das Lustige, diese Spontaneität."
Noch mal zurück zur Gesamtlage: "Ich glaube, eine der Krankheiten, die wir haben, ist der Mangel an Humor", sagt Gerhard Polt. "Humor geht selten mit Fundamentalismus einher. Und Leute, die wirklich humorvoll sind, die lassen sich auch nicht von Demagogen aufhetzen. Deshalb glaube ich tatsächlich, dass wir an Humor einen großen Bedarf haben." Er lacht: "Das ist jetzt nicht als Eigenwerbung gedacht."

Keine Sorge, Herr Polt. Und das mit der Werbung übernehmen wir: Am Montag, 24. April, 20 Uhr, gastiert er mit den Well-Brüdern aus dem Biermoos, seinen musikalischen und kongenialen Begleitern seit fast 40 Jahren, im Forum Daun, bei den Eifel-Kulturtagen. Allerdings müssen sie es dafür noch aus dem Schnee schaffen, in Schliersee und Umgebung liegen derzeit 60 Zentimeter. Gerhard Polt lacht wieder: "Wir kommen schon raus." Und wir, wir gehen hin, weil in Daun die Welt wieder ein kleines bisschen zum Besseren verändert werden wird.
Karten (27,50/33 Euro) erhält man im TV-Service-Center Trier, beim TV-Kartentelefon unter 0651/7199996 und im Forum Daun, Telefon 06592/951313.Extra

Ein Mann, ein Werk

Gerhard Polt ist am 7. Mai 1942 in München geboren und in Altötting aufgewachsen. Studium in München und Stockholm (Politikwissenschaft, Geschichte, Kunstgeschichte, Skandinavistik). Seit Mitte der 70er Jahre Kabarettauftritte, Filme, Fernsehsendungen und Theaterstücke. Zahlreiche Bücher und Auszeichnungen. Gerhard Polt lebt in Schliersee. Soeben ist im Verlag Kein & Aber sein neues Buch erschienen: "Der große Polt - Ein Konversationslexikon". 170 Seiten, 12 Euro.

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