"Wir sind in der Zwickmühle"

Die Milch-Union Hocheifel und die Hochwald-Molkerei folgen dem bundesweiten Trend und senken weiter ihren Basis-Auszahlungspreis. Muh-Bauern bekommen nur noch 34 Cent pro Kilo Milch. Da der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) mindestens 43 Cent gefordert und andernfalls einen Lieferstopp angedroht hat, spitzt sich die Lage zu.

Pronsfeld/Thalfang. Seit Monaten fällt der Erzeugerpreis für Milch deutlich ab. Vom Höchststand 42 Cent bei der Milch-Union Hocheifel (Muh) in Pronsfeld blieben den Bauern für ihre März-Lieferungen noch 36 Cent übrig, wie auch bei Hochwald in Thalfang. Am Freitagabend fiel die Entscheidung über den April. Ergebnis: 34 Cent.Verbraucher freuen sich über günstige Milchpreise in den Geschäften. Die Kehrseite schildert BDM-Landesvorsitzender Oliver Grommes aus Auw bei Prüm: "Der rasante Preisverfall bedeutet angesichts drastisch steigender Produktionskosten das Todesurteil für die Milchviehbetriebe."Systemwechsel bisher nur Wunschdenken

Grommes' Vorstandskollege Kurt Kootz wettert: "Die Molkereien haben sich bei den jüngsten Verhandlungen mit dem Lebensmittel-Einzelhandel über den Tisch ziehen lassen." Heinz Lentz aus Steffeln, Vorstandsmitglied im BDM-Team Eifel: "Die Politik benutzt das System, um durch Erhöhungen der Milchquote einen Preisverfall herbeizuführen."Stattdessen fordert der Verband eine flexible Mengensteuerung in Erzeugerhand. "Wir setzen auf die Bündelung der Milcherzeuger im rechtlich abgesicherten ,Milch Board', um eine konzentrierte Kraft zugunsten aller Molkereien gegenüber dem Handel darzustellen", sagt die stellvertretende Landesvorsitzende Alice Endres.Doch dieser Systemwechsel ist bisher Wunschdenken: Gespräche mit dem Milchindustrieverband brachten noch kein Ergebnis. 88 Prozent der rund 33 000 BDM-Mitglieder haben sich bereit erklärt, zur Durchsetzung der Forderungen in einen unbefristeten Lieferstopp zu treten. "Wir sind in der Lage, innerhalb weniger Stunden einen bundesweiten Lieferstopp auszurufen und umzusetzen", versichert Grommes. Die wichtigsten Milchproduktionsländer im ,European Milk Board' hätten volle Unterstützung zugesagt. Der Zeitpunkt des Streiks ist noch offen."Wir sehen einen Lieferstopp nicht als die richtige Lösung an", kritisiert Muh-Pressesprecher Wolfgang Rommel. Wenn die Muh ihre Handelspartner nicht mehr beliefern würde, würden diese ihre Milch woanders kaufen, etwa im Ausland. Die Muh sei den marktpolitischen Gegebenheiten ausgeliefert: "Wenn es Lieferanten gibt, die Milch zu einem wesentlich günstigeren Preis anbieten, sind wir in der Zwickmühle." Es gehe darum, das bestmögliche Ergebnis für die Mitglieder zu erzielen, aber auch Vermarktungsmengen zu sichern.Grommes lässt das Argument nicht gelten: "Wenn die Molkereien ihre Mitglieder dazu aufgerufen hätten, dem ,Milch Board' beizutreten, hätten wir mit dieser Verhandlungsmacht die Molkereien gestärkt." Im Fall eines Lieferstopps dürfen die Bauern die Milch nicht in die Kanalisation kippen. Grommes: "Die Milch bliebe im Betrieb zur hofeigenen Verwertung, könnte an die Tiere verfüttert werden oder zur Aufwertung der Gülle dienen." Meinung Säbelrasseln mit Bauchweh Schon vor acht Monaten schien der Showdown im Milchkampf nahe. Doch wie auf Bestellung schnellte der Preis bundesweit nach oben. In Rheinland-Pfalz zahlten Muh und Hochwald exakt wie vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter gefordert ab Oktober 40 Cent. Die jüngste Talfahrt, befeuert durch Produktiossteigerungen und internationale Prozesse, setzt den BDM unter Zugzwang. Will der Verband nicht als zahnloser Tiger dastehen, dessen leere Drohungen in Zukunft niemand mehr ernst nehmen wird, muss er den Lieferstopp ausrufen. Doch das Säbelrasseln des rasant gewachsenen BDM wird von Bauchweh begleitet. Als Landwirt bei einer Umfrage seine Bereitschaft zum Streik zu erklären, hat eben eine ganz andere Qualität, als tatsächlich den Molkerei-Wagen abzubestellen. Papier ist bekanntlich geduldig. Kühe müssen hingegen gemolken werden, und nur ein Bruchteil der Milch kann kurzfristig als Futter dienen. Beim Gedanken, ihren wertvollen Rohstoff zu verwerfen, wird nicht nur den Landwirten das Herz bluten. Dem Berufsstand würde angesichts der Diskussionen um Nahrungsmittel-Knappheit in vielen Ländern ein Image-Problem drohen. Zudem würden Molkereien und Handel mit dem Schlag zwar getroffen, aber ihrerseits alle Ausweichmöglichkeiten ausschöpfen, die ihnen der Markt im In- und Ausland bietet. Es ist wie im Krieg: Irgendwie gibt es nur Verlierer. Denn auch sogenannte Sieger müssen diesen Titel meist teuer bezahlen. m.hormes@volksfreund.deEXTRA Bauernverband und Lieferstopp: Auf Einladung des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau kam es zu einem Gipfeltreffen mit dem Landesvorstand des BDM. Beide Seiten waren sich einig, dass die Molkereien gestärkt dem Handel gegenüberstehen müssen. Der Bauernverband spricht sich für eine kurzfristige Verbesserung der Molkereistruktur und eine Bündelung der Milchbauern in Erzeugergemeinschaften aus. Zu einem Lieferstopp würde der Bauernverband nicht aufrufen, gleichwohl eine Teilnahme "als einzelbetriebliche Unternehmensentscheidung respektieren". (cus)

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