Zwergenstaat und Weltkonzern

PRÜM. "Wie die Weltmacht Vatikan wirklich funktioniert" – wer kann das besser wissen, als der langjährige Rom-Korrespondent und heutige Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Ludwig Ring-Eifel? Der gebürtige Trierer sprach beim Neujahrsempfang der Verbandsgemeinde Prüm zu diesem Thema.

"Das Thema hat mir Herr Söhngen abgerungen", sagte KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel fast entschuldigend zu Beginn seines Vortrags. Schließlich sei er kein Vatikan-Korrespondent mehr. Dass er dennoch auf diesem Gebiet absolut kompetent ist, bewies er wenig später. "Wenn Sie in eine Buchhandlung gehen, werden Sie feststellen, dass es viel mehr Romane über den Vatikan gibt als Reiseführer", sagt Ring-Eifel. Es sei massenhaft Literatur entstanden, die davon lebe, den Vatikan unglaublich geheimnisvoll darzustellen, als Machtzentrale, wo die Fäden der Weltpolitik zusammenlaufen. Wer sich einen Reiseführer über Rom kaufe, werde jedoch feststellen, dass der Vatikan mit 0,44 Quadratkilometern der kleinste Staat der Welt sei. "Dagegen sind Monaco und Andorra Supermächte", sagt der Journalist. Papst kann sich kaum vor Gästen retten

Über den "merkwürdigen Zwergenstaat" wisse man, dass etwa 100 Schweizer Gardisten ihn bewachen, es Vatikan-Briefmarken und Euro-Münzen gebe. Ähnlich wie das Königreich Lummerland (kleine Insel aus dem Kinderbuch von Michael Ende, Anmerkung der Redaktion) verfüge der Vatikan über einen Bahnhof und 96,58 Meter Gleisen. Obwohl der Vatikan in seinen Maßen eher bescheiden sei, könne sich der Papst vor Leuten nicht wehren, die zu ihm wollen, sagt Ring-Eifel. Auf der Liste stünde der US-Präsident ebenso wie der UN-Generalsekretär. Es gebe mehrere hundert akkreditierte Journalisten, und in den Zeitungen stünden mehr Artikel über den Vatikan als über die Königsfamilie Windsor. "Und das, obwohl die Liebesgeschichten im Vatikan eher selten sind", sagt der Referent. Die Faszination des winzige Stückchen Staats rühre wohl daher, dass er eine 2000-jährige Geschichte habe. Der Vatikan sei das Zentrum der Katholischen Weltkirche, die in 180 Ländern der Erde existiere. "Die Katholische Kirche ist die größte Institution in räumlicher und zeitlicher Ausdehnung", sagt der Journalist. Der Vatikan unterhalte diplomatische Beziehungen mit 177 Staaten, habe 4500 Bischöfe, 400 000 Priester, eine Million Ordensleute und 1,1 Milliarden getaufte Katholiken. Es gebe keine religiöse Institution, die vergleichbar sei. Der Islam habe zwar zwei Milliarden Anhänger, aber keine mit dem Vatikan vergleichbare Zentrale. Der Vatikan sei ein multinationaler Weltkonzern. Er sei ein Dienstleistungszentrum und immer gut informiert. Doch diese Informationen seien eher privater statt geheimer Natur. So entgehe dem Vatikan keine Taufe in der Mongolei, keine neugegründete Pfarrei in Nigeria und er erführe auch, wenn ein Priester in Irland mit einer Frau durchbrennt. "Der Vatikan ist ein geistlicher Apparat und viel weniger in weltliche Dinge eingebunden, wie die Romane versprechen", stellt Ring-Eifel klar. Im Dialog zwischen den Religionen habe der Vatikan jedoch den größten Einfluss, meint der Experte. Zu Beginn des Neujahrsgesprächs hatte Verbandsbürgermeister Aloysius Söhngen die Gäste begrüßt. Rückblickend auf das vergangene Jahr zog er eine positive Bilanz. Die Arbeitslosenzahlen seien gesunken, die Wirtschaftsdaten seien gut, die heimischen Unternehmen hätten sich im europäischen wie internationalen Wettbewerb behaupten können. Mit der Ausrichtung des Deutschen Wandertags habe man gezeigt, dass "wir großartige Gastgeber sind und unseren Gästen eine gute Infrastruktur bieten können." Claudia Kussmaul, Violine, und Christoph Schömig am Spinett gestalteten den musikalischen Rahmen des Neujahrsgesprächs.

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