Bauern rufen die Revolution aus

Steinebrück/St. Vith · Aus Protest gegen die niedrigen Milchpreise und die Politik der EU-Kommission haben rund 300 Milchbauern aus Belgien, Luxemburg und Deutschland am Freitag die A 60 am Grenzübergang Steinebrück blockiert. Sie riefen dazu auf, sich mit den französischen Bauern zu solidarisieren und die Milchlieferungen einzustellen.

Flüssiger Ausdruck des Protestes: Hunderte Liter Milch aus zwei Güllewagen haben die Landwirte auf der Autobahnbrücke bei Steinebrück vergossen. TV-Foto: Christian Brunker

Flüssiger Ausdruck des Protestes: Hunderte Liter Milch aus zwei Güllewagen haben die Landwirte auf der Autobahnbrücke bei Steinebrück vergossen. TV-Foto: Christian Brunker

"Die landwirtschaftliche Revolution hat heute begonnen", ruft Erwin Schöpges, der Vorsitzende der belgischen Milcherzeuger-Interessengemeinschaft (MIG) den rund 300 protestierenden Bauern zu. Seit gestern habe die europäische Interessenvereinigung der Milchbauern, das "European Milk Board", zum Milchstreik aufgerufen, jetzt seien alle Milchbauern gefordert, sich mit den französischen Milchbauern solidarisch zu erklären, die seit Donnerstag nicht mehr liefern.

Hoffnung auf einen europaweiten Lieferstopp



"Lasst uns diesen Streik beginnen", sagt Schöpges. Die deutschen und französischen Milchbauern könnten es gemeinsam schaffen, "dieses System zum Kippen zu bringen". Dabei sollten ihnen die kleinen Länder wie Belgien, Luxemburg oder Österreich helfen. "Wir brauchen diese Solidarität, und ich glaube, sie ist auch da", sagt Schöpges. Natürlich lasse niemand gerne die Milch versickern, aber man habe keine Wahl. Die ersten Liter sind schon in der Natur gelandet: Von zwei großen Gülleanhängern aus spritzen die Landwirte einige Hundert Liter Milch von der Autobahnbrücke hinab ins Ourtal.

Es sei kein Zufall, betont Schöpges, dass genau an dem Tag, an dem die französischen Bauern ihren Lieferstopp beginnen, in Deutschland ein Urteil falle, das es dem BDM verbietet, zum Boykott aufzurufen. "Da muss man sich fragen, was hinter den Kulissen falsch läuft", sagt Schöpges. "Wenn wir uns das gefallen lassen, sind wir selbst schuld." Wer an der derzeitigen Misere schuldig ist, steht für Schöpges ganz klar fest: José-Manuel Barroso und die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. Lange habe man das große Märchen vom wachsenden Weltmarkt erzählt, aber jetzt hätten alle Betriebe Probleme. "Das war der falsche Weg", sagt Schöpges.

Vielmehr müsse es ein zentrales europäisches Gremium aus Milchbauern, Molkereien und Verbrauchern geben, das Milchmenge und -preise festlege. Außerdem müsse die geplante Quotenerhöhung gestoppt werden.

"Wenn wir uns jetzt nicht massiv wehren, dann wird es für alle Zeit zu spät sein", erklärt Fredy de Martines, vom luxemburgischen Milchbauern-Verband. Jetzt müsse man sich gemeinsam über die Grenzen hinweg wehren, wobei man große Hoffnungen auf die deutschen Kollegen setze.

In Frankreich finde der Boykott-Aufruf ein großes Echo. Der Großteil der dortigen Milchbauern beteilige sich an der Aktion.

Kurt Kootz, der Landesvorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), kündigt an, ab dem heutigen Samstag keine Milch mehr an die Milch-Union Hocheifel (Muh) zu liefern. Er ruft seine Berufskollegen aber nicht dazu auf, es ihm gleichzutun - auch eine Folge des Gerichtsurteils.

Bei den Bauern ist die Botschaft aber angekommen. Sie wollen sich an dem Lieferstopp beteiligen. "Wir verhalten uns solidarisch und schließen uns an", sagt eine Landwirtin aus Blankenheim. Auch ein anderer Milchbauer will sich am Streik beteiligen: "Angesichts der niedrigen Milchpreise macht das für uns fast keinen Unterschied mehr - wir zahlen so oder so drauf." Natürlich habe man angesichts der monatelangen Tiefstpreise keinerlei Reserven für einen längeren Streik, aber man habe keine Wahl mehr. "Es muss einfach etwas passieren", sagt ein Bauer aus Olzheim.

Viele verweisen darauf, dass man die Subventionen der EU gar nicht haben wolle. "Wir wollen nur einen gerechten Preis für unsere Arbeit."

Erwin Schöpges zeigt sich jedenfalls optimistisch, dass der Streik erfolgreich sein wird. "Ab Montag wird das richtig losgehen, und wir werden das durchhalten bis zum Schluss."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort